Krankheitsbild

Anfallsarten und Epilepsieformen

Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat es mehrere Ansätze gegeben, epileptische Anfälle und Epilepsien zu klassifizieren. Die weltweit am meisten akzeptierte Klassifikation ist die der Internationalen Liga gegen Epilepsie. Nach dieser werden epileptische Anfälle in zwei verschiedene Gruppen eingeteilt, in fokale und in generalisierte Anfälle. Fokale Anfälle beginnen immer in einer umschriebenen Region des Gehirns (einem Fokus), während generalisierte Anfälle ihren Beginn zeitgleich in beiden Hemisphären nehmen.

Fokale Anfälle mit erhaltenem Bewusstsein werden als einfach-fokal bezeichnet. Merken nur die Patienten – und nicht die Umwelt – Veränderungen der Wahrnehmung (Hören, Riechen, Schmecken, Sehen, unerwartete Bekanntheit oder Fremdheit der Situation), des psychischen Empfindens (Angst) oder der vegetativen Funktionen (Hitze- oder Kältegefühl, Gänshaut etc.), nennt man den einfach-fokalen Anfall auch Aura. Darüber hinaus können einfach-fokale Anfälle in Form von Sprachstörungen oder motorischen Zeichen auftreten, die von der Umwelt wahrgenommen werden können. Ist das Bewusstsein während des Anfalls eingeschränkt (d.h. es besteht keine komplette Orientiertheit zu Ort, Person, Situation oder Zeit), sprechen wir von einem komplex-fokalen Anfall.

Jeder fokale Anfall – einfach- oder komplex-fokal – kann sich unter Ausbreitung der Anfallsaktivität über andere Regionen der Hirnrinde zu einem generalisiert tonisch-klonischen Anfall entwickeln. Dieser gleicht in seinem späteren Verlauf dem (primär) generalisierten tonisch-klonischen Anfall, dieser hat aber seinen Beginn zeitgleich in beiden Hirnhemisphären. Weitere generalisierte Anfallsformen sind Absencen, d.h. kurze ca. 5-15 sec. dauernde Abwesenheiten, und Myklonien, d.h. kurze ruckartig einschießende Bewegungen der Arme, Beine und manchmal auch des Kopfes.

Epilepsie-Zentren in Deutschland benutzen häufig eine andere Klassifikation epileptischer Anfälle. Diese macht gerade bei der Einteilung von Anfällen mit dem zusätzlichen Wissen, das in Video-EEG-Langzeituntersuchungen erhoben wird, Sinn. Hier steht ausschließlich die Beschreibung des Anfalls im Vordergrund, man spricht von automotorischen, dialeptischen, hypermotorischen etc. Anfällen. Wenn Sie als Patient unsicher sind hinsichtlich der verschiedenen Begrifflichkeiten für epileptische Anfälle, sprechen Sie Ihren Arzt direkt darauf an.

Epilepsien unterscheidet man nach der Einteilung der Internationalen Liga gegen Epilepsie ebenfalls in eine fokale und eine generalisierte Form. Fokale Anfälle sind das Symptom einer fokalen Epilepsie und generalisierte Anfälle sind Ausdruck einer generalisierten Epilepsie. Fokale Epilepsien sind häufig (aber nicht immer) symptomatischer Genese, während generalisierte Epilepsien häufig (aber nicht immer) idiopathischer, d.h. wahrscheinlich genetischer, Genese sind (s. hierzu ausführlicher „Ursachen“).

Klassifikationssysteme von Anfällen und Epilepsien unterliegen Veränderungen, da sich der Wissenstand bezüglich des Krankheitsbildes Epilepsie ständig erweitert. Eine aktualisierte Einteilung wird seit einigen Jahren diskutiert, ist aber von der Internationalen Liga gegen Epilepsie noch nicht offiziell verabschiedet.