Fall des Monats
Autofahren trotz Anfällen | 2-2015
>> zurück zur StartseiteBei einem 27-jährigen Patienten traten vor 5 Jahren erstmals epileptische Anfälle mit Abwesenheit, starrem Blick sowie Schluckbewegungen für die Dauer von 1 min. auf. Diese automotorischen (= komplex fokalen) Anfälle manifestierten sich sowohl im Wachen als auch aus dem Schlaf heraus. Bei den Anfällen aus dem Wachen war keine vorangehende Aura-Symptomatik erinnerlich, bei den Anfällen aus dem Schlaf konnten hierzu naturgemäß keine Angaben gemacht werden. Zweimal durchgeführte MRTs des Gehirns blieben ohne pathologischen Befund. Zusammengefasst besteht bei dem Patienten eine kryptogene fokale Epilepsie.
Der Patient wurde initial mit Lamotrigin behandelt, unter einer Dosis von 500 mg täglich treten seit 4 Jahren keine Anfälle aus dem Wachen mehr auf. Die Partnerin des Patienten beschreibt jedoch weiterhin etwa 2-3 schlafgebundene automotorische Anfälle pro Jahr. Da der Patient diese Anfälle nicht bemerkt und nicht als störend wahrnimmt, ist er unserer Empfehlung einer antiepileptischen Kombinationstherapie nicht gefolgt.
Der Patient hat seit dem 18. Lebensjahr eine Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge, seit dem ersten Anfall im 22. Lebensjahr ist er kein Auto mehr gefahren. Er stellte jetzt die Frage, ob er denn wieder Auto fahren dürfe, da die epileptischen Anfälle seit 4 Jahren ausschließlich aus dem Schlaf heraus auftreten würden.
Wir konnten seine Frage bejahen. Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung der Bundesanstalt für Straßenwesen (November 2009) sehen zwar zunächst ein allgemeines Kraftfahrverbot bei Menschen mit Epilepsie vor. Es gibt jedoch Ausnahmen. Die bekannteste Ausnahme ist die einer mehr als 12-monatigen Anfallsfreiheit. Aber auch Menschen mit ausschließlich schlafgebundenen Anfällen dürfen nach 3 Jahren – trotz weiterhin auftretender Anfälle – selbstständig ein Kraftfahrzeug führen. Man geht davon aus, dass es – bei unveränderter antiepileptischer Medikation – nach 3 Jahren äußerst unwahrscheinlich ist, dass noch ein weiterer Anfall aus dem Wachen heraus auftritt.