Fall des Monats
Keine Antiepileptika trotz Anfällen | 4-2014
>> zurück zur StartseiteEin 28-jähriger Patient leidet seit 5 Jahren an einer Epilepsie mit Grand Mal. Die Anfälle treten aus dem Wachen, aber ohne zeitliche Bindung an den Schlaf-Wach-Rhythmus auf. Auch auf konkretes Nachfragen hin gibt es keinen Anhalt für eine fokale Einleitung der Anfälle. Routine und Schlafentzug-EEG sind ebenso wie ein cerebrales MRT ohne pathologischen Befund. Wir ordneten die Erkrankung einer unklassifizierten Epilepsie zu, da es keine Hinweise auf eine fokale oder generalisierte Genese gab. 20% aller Epilepsien sind unklassifiziert, auch wenn in manchen Fällen der weitere klinische Verlauf die syndromatische Diagnose einer fokalen oder generalisierten Epilepsie erlaubt.
Der aktuelle Patient berichtete 4-5 Grand Mal jährlich. Trotz dieser hohen Frequenz schwerer Anfälle lehnte der Patient – von Beginn seiner Erkrankung an – die Einnahme von Antiepileptika ab. Als Grund gab er eine generell ablehnende Haltung gegenüber der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten an.
Wir haben den Patienten darüber aufgeklärt, dass das Hauptproblem bei Epilepsien darin besteht, dass die Anfälle in der Regel urplötzlich und häufig ohne jegliche Vorwarnung auftreten. Bei Grand Mal kann dies zu unkontrollierten Stürzen mit erheblichen Verletzungen führen. Wir mussten den Patienten weiterhin darüber aufklären, dass Patienten während oder kurz nach einem Grand Mal sterben können. Dieser plötzliche unerwartete Tod bei Patienten mit Epilepsie (englisch: SUDEP = sudden unexpected death in epilepsy patients) ist wahrscheinlich auf anfallsbedingte Herzrhythmusstörungen zurückzuführen. Die wirksamste Maßnahme zur Verhinderung von SUDEP ist die Verhinderung von Grand Mal. Trotz unserer ausführlichen Aufklärungen lehnte der Patient die Einnahme von Antiepileptika weiterhin ab.
Non-Adhärenz, d.h. das Nicht-Befolgen von ärztlichen Empfehlungen, stellt gerade bei der Pharmakotherapie chronischer Erkrankungen eine große Herausforderung dar. Der aktuelle Patient hat seine Non-Adhärenz zumindest offen kommuniziert; häufig weiß der Arzt gar nicht, dass der Patient seine Antiepileptika nur unregelmäßig oder auch gar nicht einnimmt.