Fall des Monats
Mehr Lebensqualität mit weniger Antiepileptika | 9-2017
>> zurück zur StartseiteEine 33-jährige Patientin mit Intelligenzminderung leidet seit früher Kindheit an einer Epilepsie mit komplex-fokalen und früheren generalisiert tonisch-klonischen Anfällen. Die Ätiologie ist unklar, im Kopf-MRT findet sich allenfalls eine mäßiggradige globale kortikale Atrophie. Die Patientin hat in der Vergangenheit 10 verschiedene Antiepileptika eingenommen, aktuell ist sie mit 3.000 mg Levetiracetam, 1.800 mg Carbamazepin und 400 mg Lacosamid behandelt. Unter dieser Dreifachmedikation treten monatlich 2-3 komplex-fokale Anfälle auf. Zudem besteht bei der Patientin eine a.e. zerebelläre Gangstörung, sie selbst beklagt einen diffusen Schwindel.
Unter der Annahme, dass die genannten Beschwerden Folge der antiepileptischen Medikation sind, setzten wir das Carbamazepin schrittweise ab. Wir ließen die Dosis der beiden anderen Antiepileptika unverändert. Nach 6 Monaten stellte sich die Patientin erneut bei uns vor. Die beschriebenen Beschwerden bestanden nicht mehr, die Anfallsfrequenz war unverändert.
Dieser Fall illustriert die Ergebnisse einer Langzeit-Untersuchung bei 148 Patienten mit antiepileptischer Polytherapie (Poolos et al. 2012 Neurology). Diese Studie hat aufgezeigt, dass drei parallel gegebene Antiepileptika nicht wirksamer sind als zwei, dass aber die Häufigkeit und Schwere von unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter drei Antiepileptika deutlich höher sind. Dies gilt insbesondere bei der Gabe von zwei oder mehr Antiepileptika mit gleichsinnigen Wirkmechanismen, in diesem Fall der Blockade von Natrium-Kanälen durch Carbamazepin und durch Lacosamid.
Zusammengefasst sollten also auch bei Patienten mit schwer behandelbarer Epilepsie möglichst nicht mehr als zwei Antiepileptika gleichzeitig gegeben werden. Das Absetzen von weiteren Antiepileptika lohnt sich also in der Regel.