Fall-des-Monats

Interessante Fallbeispiele

Ein 37-jähriger Mann wird als Versicherungsnehmer bei einer privaten Unfallversicherung mit der Begründung abgelehnt, dass er an einer Epilepsie leide. Konkret trat bei dem Patienten im 21. und 23. Lebensjahr jeweils ein tonisch-klonisch generalisierter Anfall ohne erinnerliche fokale Einleitung aus dem Wachen heraus auf. Ein Anfall manifestierte sich am späteren Vormittag, der andere am frühen Abend. Es gab keine Triggerfaktoren wie Schlafentzug, Fieber oder die Einnahme potenziell prokonvulsiver Substanzen. Die Familienanamnese für Epilepsien war leer. Auch auf konkrete Nachfrage gab es keine Hinweise auf weitere Anfallstypen. Ein Routine-EEG und ein EEG nach Schlafentzug blieben damals ohne pathologischen Befund, auch ein Kopf-MRT war unauffällig. Nach dem zweiten unprovozierten Anfall wurde korrekterweise die Diagnose einer Epilepsie gestellt; da es weder Hinweise auf eine fokale, noch auf eine generalisierte Genese gab, wurde die Epilepsie als unklassifiziert eingeordnet. Wegen des erhöhten Risikos für weitere epileptische Anfälle wurde eine Therapie mit Levetiracetam begonnen, die maximale Tagesdosis von 1.500 mg wurde nebenwirkungsfrei vertragen. Auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten wurde Levetiracetam nach 2 Jahren Behandlung wieder abgesetzt. Ein Routine-EEG 6 Monate nach Absetzen war ebenfalls unauffällig.

Die Frage ist, wie lange nach dem letzten Anfall und wie lange nach Absetzen des Antiepileptikums bei dem Patienten formal eine Epilepsie besteht – für immer? Die Internationale Liga gegen Epilepsie hat in einem Positionspapier 2014 (Fisher et al. in Epilepsia) den Beginn und das Ende einer Epilepsie klar definiert. Eine Epilepsie beginnt – wie in dem vorliegenden Fall – mit dem zweiten unprovozierten Anfall oder auch schon mit dem ersten unprovozierten Anfall, wenn durch EEG- oder MRT-Untersuchungen nachgewiesen werden kann, dass das Risiko für einen zweiten Anfall deutlich erhöht ist, d.h. konkret, wenn das Rezidivrisiko in den nächsten 10 Jahren bei über 60% liegt. Die Epilepsie gilt bei einem individuellen Patienten als beendet (im englischen Original „resolved“), wenn der letzte Anfall mehr als 10 Jahre zurück liegt und wenn in den letzten 5 Jahren kein Antiepileptikum mehr eingenommen wurde.

In dem aktuellen Fall hat der Patient seit 14 Jahren keine Anfälle mehr und er nimmt seit 12 Jahren kein Antiepileptikum mehr ein. Bei ihm besteht keine Epilepsie mehr. Dies bedeutet ganz pragmatisch, dass für den Patienten auch keinerlei Einschränkungen beim Führen eines Kraftfahrzeugs mehr bestehen, dies gilt auch für das Führen von Lastkraftwagen und Bussen. Die Versicherung kann sich in ihrer Ablehnung also nicht darauf berufen, dass bei dem Patienten (noch) eine Epilepsie besteht. Ob eine frühere, seit mehreren Jahren beendetet Epilepsie ein Ausschlusskriterium für einen Versicherungsabschluss bedeutet, muss ggf. rechtlich geklärt werden.

Bei einem 32-jährigen Patienten traten im 16. Lebensjahr erstmals tonisch-klonisch generalisierte Anfälle auf. Üblicherweise manifestierten sich die Anfälle in den ersten 60 min. nach dem Aufwachen. Im damaligen EEG zeigten sich Spike-wave-Komplexe mit einer Frequenz von 3 Hz. Diese Konstellation spricht für eine genetische generalisierte Epilepsie (früher: idiopathisch generalisierte Epilepsie), das Subsyndrom ist eine Epilepsie mit Aufwach-Grand mal. Der Patient wurde dann mit Valproat in einer Dosis von 900 mg tgl. behandelt. Unter dieser Therapie traten keine Anfälle mehr auf, das EEG zeigte keine epilepsietypischen Potenziale mehr, daher wurde das Antiepileptikum nach 4 Jahren – auch auf Wunsch des Patienten – wieder abgesetzt. Der Patient blieb in den folgenden 12 Jahren frei von epileptischen Anfällen. Jetzt trat im Rahmen einer fieberhaften wsl. bakteriellen Bronchitis ein erneuter tonisch-klonisch generalisierter Anfall auf. Der Patient berichtet spontan, dass er aufgrund des Infektes in den beiden Nächten vor dem Anfall sehr schlecht geschlafen habe und mehrfach wegen starken Hustens aufgewacht sei. Auf Nachfrage berichtet der Patient, dass er antibiotisch mit Ampicillin, einem Penicillin-Derivat, behandelt worden sei.

In dieser Konstellation sind bei dem Patienten gleich drei Triggerfaktoren aufgetreten, die in Summe wsl. zu dem Anfallsrezidv geführt haben. Bei genetisch generalisierten Epilepsien ist Schlafentzug einer der wichtigsten Faktoren, die das Auftreten eines Anfalls wahrscheinlicher machen. Fieber stellt einen weiteren relevanten Triggerfaktor dar. Viele Antibiotika haben ein prokonvulsives Potenzial, hier sind insbesondere Penicillin und seine Derivate hervorzuheben.

In dem aktuellen Fall war das EEG weiterhin unauffällig. Da der Anfall durch die genannten drei Faktoren ausgelöst worden war, sahen wir keine Notwendigkeit für eine erneute antiepileptische Behandlung. Wir haben den Patienten über die Relevanz der Triggerfaktoren aufgeklärt, er sollte zukünftig insbesondere massiven Schlafentzug und die Einnahme von Penicillin-Derivaten vermeiden. Da das Rezidiv nach mehrjähriger Anfallsfreiheit aufgetreten war und eindeutige Triggerfaktoren auszumachen waren, besteht ein Fahrverbot von nur 3 Monaten.

Bei einem 26-jährigen Patienten besteht seit 7 Jahren eine Epilepsie, die Anfälle sind durch eine Abwesenheit gekennzeichnet, allenfalls geringe orale Automatismen, Dauer etwa 40 Sekunden. Auf konkrete Nachfrage berichtet der Patient ein Vorgefühl direkt vor der Abwesenheit, er kann dies nicht gut in eigene Worte fassen, es handelt sich aber am ehesten um ein Druckgefühl in der Magengegend. Der Patient ist aktuell mit 400 mg Lacosamid und 10 mg Perampanel behandelt, zuvor hat er bereits drei andere Antiepileptika eingenommen. Es treten weiterhin etwa 3-4 mal pro Monat die oben beschriebenen Anfälle auf. Im cerebralen MRT findet sich eine kortikale Veränderung links parietal, die einer fokalen kortikalen Dysplasie entsprechen könnte.

Bei pharmakoresistenter fokaler Epilepsie unterzog sich der Patient in unserem Hause der prächirurgischen Diagnostik, das Video-EEG-Monitoring erfolgte zunächst mit Oberflächen-Elektroden. Bei den drei aufgezeichneten und für den Patienten typischen Anfällen zeigte sich ein Anfallsmuster links temporo-anterior. Da sowohl die Anfallssemiologie als auch das iktale EEG mit einem Anfallsbeginn links temporo-mesial vereinbar waren, schien die potenziell epileptogene Läsion links parietal nicht den Anfallsfokus darzustellen. Das cerebrale MRT und eine Glucose-PET-Untersuchung waren unauffällig und zeigten insbesondere keine Auffälligkeiten in links temporo-mesialen Strukturen. Mit Hilfe subduraler Streifen- und Plattenelektroden konnten wir dann einen umschriebenen Anfallsbeginn im Bereich des linken Hippokampus sehen. Der Patient unterzog sich einer anterioren Temporallappenresektion und ist seit der Operation vor 3 Monaten anfallsfrei.

Viele Studien zur Prognose nach Epilepsiechirurgie zeigen, dass die Identifikation einer potenziell epileptogenen Läsion im MRT die Wahrscheinlichkeit auf post-operative Anfallsfreiheit signifikant erhöht. Dieser Fall zeigt aber, dass selbst eine auf eine fokale kortikale Dysplasie verdächtige Struktur nicht immer der epileptogene Fokus sein muss. Daher ist neben einer exakten Anamneseerhebung die Aufzeichnung mindestens eines typischen epileptischen Anfalls – sowohl videographisch als auch simultan elektroenzephalographisch – Voraussetzung für erfolgreiche Epilepsiechirurgie.

Eine 83-jährige Patientin erlitt vor ein paar Wochen ihre ersten beiden fokalen Anfälle mit Bewusstseinsstörung (früher: komplex-fokaler Anfall). Im cCT zeigte sich eine moderate vaskuläre Leukenzephalopathie, die Patientin hatte jedoch – gemessen an ihrem Alter – keine alltagsrelevanten kognitiven Defizite. Zwei unprovozierte epileptische Anfälle sind mit einem hohen Rezidivrisiko assoziiert, dies definiert eine Epilepsie und stellt in der Regel eine Behandlungsindikation dar.

Der Patientin wurde in einem anderen Krankenhaus das Antiepileptikum Valproinsäure gegeben, die Dosis wurde schrittweise auf 1.200 mg pro Tag erhöht. Der Familie fiel dann zeitnah auf, dass die Patientin deutlich verlangsamt und mnestisch eingeschränkt war. In unserem Hause stellten wir dann eine Serum-Konzentration für Valproinsäure von 130 mg/l fest (empfohlener Bereich: 40 – 100). Unter der Annahme einer Valproat-Enzephalopathie stellten wir die Antiepileptika-Therapie auf Lacosamid 2 x 75 mg pro Tag um. Innerhalb weniger Tage besserte sich die kognitive Leistungskapazität der Patientin auf das Ausgangsniveau.

Dieser Fall illustriert die Limitationen von Valproinsäure. Diese bestehen nicht nur in dem teratogenen Risiko bei Einnahme durch Frauen im gebärfähigen Alter, sondern auch in einem relevanten Enzephalopathie-Risiko bei älteren Patienten.

Valproinsäure ist ein gut geeignetes Antiepileptikum bei genetisch generalisierten Epilepsien (früher: idiopathisch generalisierte Epilepsie), diese manifestieren sich aber in der Regel nicht in der 2. Lebenshälfte. Bei fokalen Epilepsien ist die Substanz zwar zugelassen, es gibt aber eine Vielzahl geeigneterer Antiepileptika; die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie empfehlen bei dieser Indikation in Monotherapie neben Lamotrigin und Levetiracetam auch Eslicarbazepinacetat, Lacosamid und Zonisamid.

Zusammengefasst sollte man mit Valproinsäure bei älteren Patienten sehr vorsichtig umgehen, eine Neueinstellung auf dieses Antiepileptikum sollte mangels Indikation und aufgrund des Nebenwirkungsprofils vermieden werden.

Ein 73-jähriger, biologisch jüngerer Patient erlitt im April 2017 einen ersten unprovozierten tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall. Das cMRT und Routine- und Schlaf-EEG waren ohne pathologischen Befund. Somit ist dieser Anfall als isolierter unprovozierter epileptischer Anfall einzuordnen, es besteht kein relevant erhöhtes Rezidivrisiko. In dieser Konstellation wird in der Regel nicht die regelmäßige Einnahme eines Antiepileptikums empfohlen.

Dennoch hatte der Patient so große Sorge vor einem erneuten Anfall, dass er darum bat, ein Antiepileptikum verschrieben zu bekommen. Wir akzeptierten den Wunsch des Patienten und gaben ihm das gut verträgliche und stark wirksame Antiepileptikum Lamotrigin in einer niedrigen Dosis von 100 mg täglich. Wir klärten ihn darüber auf, dass er nach den aktuellen Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung der Bundesanstalt für Straßenwesen nach einem isolierten unprovozierten Anfall für 6 Monate kein Kraftfahrzeug führen darf.

Bei Wiedervorstellung im Oktober 2017 berichtet der Patient, dass er unter dem Lamotrigin zunehmend Schwankschwindel verspürt habe, dies habe seine Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigt. Daher hat er das Lamotrigin selbständig 3 Tage vor dem Ambulanzbesuch abgesetzt. Schon bei Vorstellung in unserer Sprechstunde bestand der Schwankschwindel nicht mehr.

Wir klärten den Patienten noch mal über das geringe Risiko für das Auftreten eines weiteren Anfalls auf. Der Patient war nun nach der subjektiven Unverträglichkeit von Lamotrigin damit einverstanden, kein Antiepileptikum einzunehmen.

Obwohl das 6-monatige Fahrverbot im Oktober 2017 abgelaufen war, mussten wir den Patienten darüber aufklären, dass er nach Absetzen des Antiepileptikums nun für 3 weitere Monate nicht selbständig ein Kraftfahrzeug führen darf.

Zusammengefasst besteht nach einem ersten epileptischen Anfall ohne EEG- und MRT-Auffälligkeiten keine Indikation für die regelmäßige Einnahme eines Antiepileptikums.

Eine 33-jährige Patientin mit Intelligenzminderung leidet seit früher Kindheit an einer Epilepsie mit komplex-fokalen und früheren generalisiert tonisch-klonischen Anfällen. Die Ätiologie ist unklar, im Kopf-MRT findet sich allenfalls eine mäßiggradige globale kortikale Atrophie. Die Patientin hat in der Vergangenheit 10 verschiedene Antiepileptika eingenommen, aktuell ist sie mit 3.000 mg Levetiracetam, 1.800 mg Carbamazepin und 400 mg Lacosamid behandelt. Unter dieser Dreifachmedikation treten monatlich 2-3 komplex-fokale Anfälle auf. Zudem besteht bei der Patientin eine a.e. zerebelläre Gangstörung, sie selbst beklagt einen diffusen Schwindel.

Unter der Annahme, dass die genannten Beschwerden Folge der antiepileptischen Medikation sind, setzten wir das Carbamazepin schrittweise ab. Wir ließen die Dosis der beiden anderen Antiepileptika unverändert. Nach 6 Monaten stellte sich die Patientin erneut bei uns vor. Die beschriebenen Beschwerden bestanden nicht mehr, die Anfallsfrequenz war unverändert.

Dieser Fall illustriert die Ergebnisse einer Langzeit-Untersuchung bei 148 Patienten mit antiepileptischer Polytherapie (Poolos et al. 2012 Neurology). Diese Studie hat aufgezeigt, dass drei parallel gegebene Antiepileptika nicht wirksamer sind als zwei, dass aber die Häufigkeit und Schwere von unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter drei Antiepileptika deutlich höher sind. Dies gilt insbesondere bei der Gabe von zwei oder mehr Antiepileptika mit gleichsinnigen Wirkmechanismen, in diesem Fall der Blockade von Natrium-Kanälen durch Carbamazepin und durch Lacosamid.

Zusammengefasst sollten also auch bei Patienten mit schwer behandelbarer Epilepsie möglichst nicht mehr als zwei Antiepileptika gleichzeitig gegeben werden. Das Absetzen von weiteren Antiepileptika lohnt sich also in der Regel.

Ein gerade 18-jähriger männlicher Patient erlitt seit seinem 16. Lebensjahr insgesamt fünf unprovozierte, wahrscheinlich tonisch-klonisch generalisierte epileptische Anfälle aus dem Schlaf. Der Patient erinnert sich nicht an einen Beginn der Anfälle, es gibt keine Fremdanamnese. Der Patient bemerkte aber morgens starken Muskelkater und einen lateralen Zungenbiss. Hier bleibt keine andere Diagnose als tonisch-klonisch generalisierte Anfälle. Der Patient war bisher in ambulanter Behandlung jenseits unseres Zentrums. Ein Kopf-MRT blieb ohne pathologischen Befund, ein Routine-EEG war ebenfalls nicht richtungsweisend. Es besteht also eine unklassifizierte Epilepsie, das Auftreten im Schlaf könnte ein Hinweis auf eine fokale Epilepsie sein. Nach Angaben des Patienten wurde ihm von seinen bisherigen Ärzten nicht empfohlen, ein Antiepileptikum einzunehmen. Die Gründe waren unklar.

Wir haben den Patienten darüber aufgeklärt, dass nach fünf unprovozierten Anfällen ein sehr hohes Risiko (> 80%) für weitere epileptische Anfälle besteht. Wir haben ihn zudem darüber aufgeklärt, dass gerade Schlaf-gebundene tonisch-klonisch generalisierte Anfälle zu einem plötzlichen und unerwarteten Tod führen können (sudden unexpected death in epilepsy = SUDEP). Der Patient ließ sich davon überzeugen, von nun an ein Antiepileptikum einzunehmen. Wir gaben dem Patienten Levetiractam in einer Dosis von 2 x 500 mg täglich. Zumindest in den folgenden 6 Monaten war kein weiterer Anfall mehr aufgetreten.

Zusammengefasst liegt bereits nach zwei unprovozierten epileptischen Anfällen das Risiko für einen dritten unprovozierten Anfall bei mehr als 60% in den kommenden 10 Jahren. Nach den aktuellen Kriterien der Internationalen Liga gegen Epilepsie definiert diese Konstellation – wegen des hohen Rezidivrisikos – die Erkrankung Epilepsie, es liegt in der Regel eine Behandlungsindikation vor.

Ein 14-jähriger männlicher Jugendlicher litt seit dem 6. Lebensjahr unter mehrfach täglich auftretenden kurzen Abwesenheiten von 5-7 Sekunden Dauer. Im EEG zeigten sich damals generalisierte 3/Sekunde Spike-Wave-Komplexe mit einem frontalen Amplitudenmaximum. Somit konnte damals die Diagnose einer kindlichen Absencen-Epilepsie gestellt werden. Bei Auftreten von Absencen mehrfach am Tag spricht man auch von pyknoleptischen Absencen bzw. einer Pyknolepsie. Wie eine US-amerikanische doppel-blinde Studie vor ein paar Jahren gezeigt hat, ist Ethosuximid weiterhin das wirksamste und verträglichste Antiepileptikum bei kindlicher Absence-Epilepsie (Glauser et al. 2010, New England Journal of Medicine). So wurde auch unser Patient von Beginn der Erkrankung an mit Ethosuximid behandelt, Absencen traten nicht mehr auf.

Es stellte sich nun im Alter von 14 Jahren die Frage, ob das Antiepileptikum wieder abgesetzt werden kann. Kindliche Absence-Epilepsien haben eine sehr gute Prognose, mit Beginn der Pubertät nimmt die Epileptogenität rapide ab, es treten – auch ohne Antiepileptika – oft keine Absencen mehr auf. Wir haben auch bei unserem Patienten vor 3 Monaten Ethosuximid ausgeschlichen. Der Patient und seine Familie haben keine Absencen mehr beobachtet. In einer Video-EEG-Langzeit-Untersuchung über 24 h wurden in unserem Zentrum weder klinisch manifeste Absencen noch elektrophysiologisch die charakteristischen epilepsietypischen Potenziale beobachtet. Es ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bei dem Patienten auch zukünftig keine weiteren Absencen oder andere Anfälle mehr auftreten.

Diese Kasuistik zeigt den oftmals gutartigen Verlauf von kindlichen Absence-Epilepsien, die in der Regel altersabhängig selbstlimitierend sind. Daher ist bei dieser Form der generalisierten genetischen Epilepsie ein Absetzversuch der Antiepileptika in der zweiten Lebensdekade empfohlen.

Ein 38-jähriger Patient leidet seit mehr als 20 Jahren an einer Epilepsie mit monatlich 4-5 Anfällen mit Bewusstseinsstörung (komplex-fokale Anfälle) für 30-40 sec. Dauer und früheren Anfällen mit Bewusstseinsverlust (tonisch-klonisch generalisierte Anfälle). Ursächlich findet sich im cMRT eine Hippocampussklerose rechts. Der Patient war in der Vergangenheit schon mit sechs verschiedenen Antiepileptika behandelt, aktuell nimmt er 500 mg Lamotrigin und 200 mg Brivaracetam. Zusammengefasst besteht bei dem Patienten eine pharmakoresistente fokale Epilepsie. Im Video-EEG konnten innerhalb von 7 Tagen drei typische komplex-fokale Anfälle aufgezeichnet werden, es zeigte sich jeweils stereotyp ein Anfallsmuster mit Beginn rechts temporo-anterior. Dieser iktale EEG-Befund passt gut zu einem Anfallsfokus in rechts temporo-mesialen Strukturen.

In dieser Konstellation empfahlen wir dem Patienten eine Temporallappen-Teilresektion rechts, die Chance auf bleibende Anfallsfreiheit beträgt 60-70%. Doch der Patient hat die Operation abgelehnt, weil er zu große Angst vor einer Hirn-Operation hat. Er fand seine Anfälle weniger belastend als den von uns empfohlenen epilepsiechirurgischen Eingriff. In den letzten 5 Jahren haben in unserem Epilepsie-Zentrum etwa 20% der Patienten einen epilepsiechirurgischen Eingriff abgelehnt, nachdem alle Untersuchungen abgeschlossen waren und die ärztliche Empfehlung zur Operation ausgesprochen war. Ähnliche Ablehnquoten wurden in Untersuchungen an den Epilepsie-Zentren Bielefeld-Bethel, Bonn und London festgestellt.

Seit einigen Jahren gibt es in den USA ein Therapieverfahren für Patienten mit pharmakoresistener fokaler Epilepsie, bei dem mit Hilfe einer Lasersonde die Hirnregion, in der die epileptischen Anfälle entstehen, abgetragen wird. Das Prinzip ist das gleiche wie bei der bisherigen „offenen“ Operation – Ausschaltung des Anfallsfokus. Der Vorteil bei dieser Methode ist, dass der Schädel während der Operation nicht geöffnet werden muss, sondern dass über ein kleines Bohrloch eine feine Elektrode ins Gehirn geschoben wird. Erste Untersuchungen haben gezeigt, dass etwa 40-50% der Patienten mit einer Temporallappenepilepsie mit diesem minimal-invasiven Verfahren anfallsfrei werden.

In den kommenden Wochen wird die Lasertherapie bei Epilepsie auch in Deutschland zugelassen. In einem Kooperationsprojekt mit der Klinik für Neurologie der Universität Magdeburg werden wir als eine der ersten Einrichtungen in Deutschland dieses Verfahren etablieren. Wir werden dieses Verfahren insbesondere denjenigen Patienten anbieten, die aus Angst eine „offene“ Hirn-Operation ablehnen. Somit hoffen wir, dass auch der oben beschriebene Patient dem Einsatz dieses Therapieverfahrens zustimmt.

Eine 27-jährige Patientin leidet seit 12 Jahren an einer Epilepsie mit jährlich ein bis zwei „kleineren“ Anfällen mit einer Bewusstseinsstörung (komplex-fokale Anfälle) für 30-40 sec. und früheren „größeren“ Anfällen mit Bewusstseinsverlust (tonisch-klonisch generalisierte Anfälle). Die Ursache der Epilepsie ist unklar, es besteht also eine kryptogene fokale Epilepsie. Die Patientin ist mit zwei Antiepileptika behandelt, Levetiracetam mit täglich 2.000 mg und Oxcarbazepin mit täglich 1.200 mg. Außer einer leichten Müdigkeit und subjektiven Konzentrationsstörungen wird die Kombinationstherapie gut vertragen.

Seit einigen Jahren fragt die Patientin, ob ihre Epilepsie nicht auch mit Cannabis behandelt werden kann, sie habe davon in der Zeitung gelesen. In der Tat ist es seit Frühjahr 2017 in Deutschland möglich, Cannabis zur Behandlung einer Reihe von Erkrankungen zu erhalten, wenn der Arzt andere Therapieoptionen erfolglos geprüft hat und Cannabis für den nächsten sinnvollen Schritt hält. Die Krankenkassen sind verpflichtet, die Kosten für die Therapie mit Cannabis zu übernehmen.

Das Problem besteht darin, dass es bisher keine sichere Evidenz dafür gibt, dass Cannabis bei Epilepsie hilft. Das bei Epilepsien eingesetzte Cannabis-Derivat Cannabidiol wurde bisher nur bei Patienten (meist Kindern und Jugendlichen) mit sehr schwer verlaufenden, besonderen Formen der Epilepsie eingesetzt. In einer US-amerikanischen Studie mit 200 meist jungen Patienten konnte gezeigt werden, dass der Einsatz von Cannabidiol die Häufigkeit epileptischer Anfälle um gut ein Drittel senkt.

Diese Studie beinhaltete aber keine verblindete Kontrollgruppe, die analog dem Cannabidiol ein Placebo eingenommen hat (der Placebo-Effekt führt bei pharmakoresis­tenten Epilepsien in den ersten Monaten zu einer Reduktion der Anfallsfrequenz von 15-20%). Außerdem haben 50% der Patienten Clobazam und 30% Valproat ein­genommen. Cannabidiol führt bei beiden Substanzen zu einem signifikanten Anstieg der Serum-Konzentration. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Reduktion der Anfallsfrequenz in dieser Studie auf einen Placebo-Effekt und/oder auf einen pharmakokinetischen Effekt zurückzuführen ist.

Vor diesem Hintergrund kann der Einsatz von Cannabidiol bei Epilepsien zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfohlen werden. Wir verweisen hier auch auf die kritische Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie.

Zurzeit werden in den USA und wahrscheinlich auch demnächst in Deutschland placebo-kontrollierte und doppel-blinde Studien zu Cannabidiol bei Epilepsien durchgeführt. Bei Nachweis der Wirksamkeit dieser Substanz kann diese dann – wie eine Reihe weiterer Antiepileptika auch – unserer Patientin empfohlen werden.

Ein 35-jähriger Patient leidet seit seinem 17. Lebensjahr an einer schwer behandelbaren fokalen Epilepsie. Ursache ist sehr wahrscheinlich eine entzündliche ZNS-Erkrankung. Erste Anfälle traten schon in der Akutphase der Erkrankung auf. Die Epilepsie manifestiert sich in Form von monatlich 3-4 komplex-fokalen Anfällen, denen eine unspezifische Aura vorausgeht, sowie – selten – Grand mal. Der Patient wurde bisher mit mehr als 10 Antiepileptika behandelt, aktuell sind dies Levetiracetam, Lamotrigin und Primidon, jeweils in hoher Tagesdosis.

Trotz des frustranen Einsatzes einer Reihe von für den Patienten neuen Antiepileptika entschieden wir uns Ende 2016 für einen Therapieversuch mit Perampanel, zunächst in einer Dosis von 6 mg täglich. Perampanel unterscheidet sich in seinem Wirkmechanismus im Vergleich zu allen anderen Antiepileptika dadurch, dass es den exzitatorischen AMPA-Rezeptor hemmt.

Die Erwartungshaltung des Patienten gegenüber der Substanz war niedrig, da schon zu viele andere hoffnungsvolle Substanzen letztlich nicht erfolgreich waren. Umso überraschenderweise kam es unter Perampanel in den ersten drei Monaten der Einnahme zu einer signifikanten Reduktion der Frequenz komplex-fokaler Anfälle.

Basierend auf dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) wurde diesem Antiepileptikum durch den Gemeinsamen Bundesausschuss kein Zusatznutzen zugesprochen. Die Absurdität dieser Entscheidung spiegelt sich in dem vorliegenden Fall wider, da Perampanel individuell durchaus zu einem zusätzlichen Nutzen führen kann. Da formal aber kein Zusatznutzen bestehen soll, bewegt sich die Kostenerstattung nach AMNOG nur auf dem Niveau einer Vergleichssubstanz wie Lamotrigin. Dies refinanziert jedoch nicht die Entwicklungskosten eines neuen Antiepileptikums. Daher wurde die Substanz von der Firma Eisai innerhalb Deutschlands „außer Vertrieb“ gesetzt, sie kann jedoch über internationale Apotheken bezogen werden.

Die Krankenkasse des Patienten prüft aktuell, ob sie die Kosten dieses Antiepileptikums vor dem Hintergrund seiner individuellen Wirksamkeit auch längerfristig übernehmen kann.

Perampanel ist u.a. aufgrund seines andersartigen Wirkmechanismus in vielen europäischen Ländern und in Nordamerika ein sehr erfolgreiches Antiepileptikum. Das Beispiel Perampanel illustriert anschaulich, dass die methodischen Ansätze, nach denen in Deutschland Antiepileptika via AMNOG ein Zusatznutzen zugesprochen werden oder eben nicht, insuffizient sind. Hier besteht ein relevanter politischer Handlungsbedarf.

Bei einem 16-jährigen Patienten besteht seit dem 3. Lebensjahr eine fokale Epilepsie mit Schlaf-gebundenen hypermotorischen Anfällen. Er wacht – mitunter mehrfach pro Nacht – mit ausgeprägten bilateralen, aber asymmetrischen Bewegungen aller Extremitäten auf, das Bewusstsein ist erhalten, die Episoden dauern in der Regel weniger als 1 min. Pro Woche treten etwa in 3-4 Nächten Anfälle auf. Dieser Anfallstyp weist lokalisatorisch auf den Frontallappen und hier speziell auf das supplementär-motorische Areal hin. Ein 3T-MRT war unauffällig, es liegt hier eine kryptogene fokale Epilepsie vor. Der Patient hat in den vergangenen Jahren schon acht verschiedene Antiepileptika eingenommen, aktuell ist er mit 3.000 mg Levetiracetam und 400 mg Lacosamid behandelt.

Seit mehreren Jahren sprechen wir mit dem Patienten und seinen Eltern auch über das Thema Epilepsiechirurgie. Als der Patient jünger war, wollten seine Eltern dies nicht für ihn entscheiden. Vor ein paar Monaten hat der Patient von sich aus die notwendige prächirurgische Diagnostik angesprochen.

In einer Video-EEG-Langzeit-Untersuchung mit Oberflächen-Elektroden ließ sich trotz zahlreicher Bewegungsartefakte während des Anfalls ein eindeutiger Anfallsbeginn rechts frontal ausmachen. Eine interiktale PET-Untersuchung zeigte kongruent einen Hypometabolismus rechts frontal. In einem zweiten Schritt erhielt der Patient eine invasive elektrophysiologische Diagnostik mit subduralen Elektroden über dem supplementär-motorischen Areal rechts sowie im Interhemisphären-Spalt. Es ließen sich innerhalb weniger Tage sechs typische Anfälle aufzeichnen, die stereotyp an vier aneinander grenzenden Elektroden begannen. Die elektrische Stimulation zeigte, dass es sich um nicht-eloquenten Kortex handelt.

Mit Entfernung der Elektroden wurde dann der Kortex unter den Elektroden mit Anfallsbeginn reseziert. Der Patient ist nun seit 6 Monaten anfallsfrei.

Dieser Fall zeigt, dass auch bei nicht-läsioneller Frontallappenepilepsie eine Resektion erfolgreich durchgeführt werden kann, auch wenn die Rate an Anfallsfreiheit in Fallserien geringer war als bei Temporallappen- oder läsionellen Epilepsien. Sehr wahrscheinlich hätte der Patient auch zu einem früheren Zeitpunkt in seinem Leben von der Resektion profitiert.

Ein 69-jähriger Patient erlitt vor 2 Jahren aus dem Schlaf einen ersten tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall. Im Kopf-MRT fanden sich allenfalls mäßiggradige mikroangiopathische Veränderungen, von denen einige sehr nah am Kortex (Hirnrinde) lokalisiert waren. Ein Routine-EEG war ohne pathologischen Befund. In dieser Konstellation kann man davon ausgehen, dass die beschriebenen Durchblutungsstörungen im Gehirn Ursache des epileptischen Anfalls waren. Das Risiko für das Auftreten weiterer epileptischer Anfälle in den nächsten 10 Jahren beträgt 70%, dies definiert eine Epilepsie und zwar in diesem Fall eine fokale Epilepsie. Aufgrund des erhöhten Rezidivrisikos empfahlen wir dem Patienten eine antiepileptische Therapie mit 1.000 mg Levetiracetam täglich, dies ist rein formal eine Sekundärprophylaxe. Das Antiepileptikum wurde gut vertragen, aber nach einem Jahr drängte der Patient sehr, dass Levetiracetam wieder abgesetzt wird. Wir klärten den Patienten darüber auf, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Anfalls nach Absetzen über 50% liegt. Der Patient hat das Antiepileptikum trotzdem abgesetzt. Genau 1 Jahr später hat er dann erneut aus dem Schlaf einen nun zweiten tonisch-klonisch generalisierten Anfall erlitten. Dem Patienten selbst war nun klar, dass er wieder – und jetzt dauerhaft – ein Antiepileptikum einnehmen muss, er selbst wollte wie zuvor mit Levetiracetam behandelt werden.

Bei einem 25-jährigen Patienten besteht seit 8 Jahren eine fokale Epilepsie mit epigastrischen Auren (ein aufsteigendes Druckgefühl aus der Magengegend) und automotorischen Anfällen (Bewusstseinsstörung mit oralen Automatismen). Die automotorischen Anfälle treten etwa 4-5 mal monatlich auf. Das 1,5 T Kopf-MRT ist unauffällig. Der Patient ist aktuell mit 3.000 mg Levetiracetam und 500 mg Zonisamid behandelt. Zuvor war bei ihm auch Lamotrigin eingesetzt worden, welches aber wegen eines Exanthems bei einer Dosis von 50 mg wieder abgesetzt werden musste. Zusammengefasst besteht bei dem Patienten eine pharmakoresistente fokale Epilepsie.

Der nächste Behandlungsschritt wäre eine umfassende Evaluation hinsichtlich der Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs, bei dem der Anfallsfokus operativ entfernt wird. Diese Evaluation umfasst eine mehrtägige Video-EEG-Untersuchung mit dem Ziel, für den Patienten typische epileptische Anfälle aufzuzeichnen. Weiterhin erhält der Patient ein Hirn-MRT mit einer größeren Feldstärke von 3 T, dies erhöht die „Ausbeute“ an pathologischen Befunden um 10-15%. Zusätzlich wird eine neuropsychologische Untersuchung durchgeführt, die potenzielle Defizite in frontalen oder temporalen Strukturen erkennen und quantifizieren soll. Weitere Untersuchungen zur Lokalisation des Anfallsfokus werden in Abhängigkeit von den ersten Untersuchungsergebnissen durchgeführt.

Wir klärten den Patienten während eines Ambulanztermins ausführlich darüber auf, dass nach Versagen von zwei Antiepileptika in hoher Dosis nicht damit zu rechnen ist, dass bei ihm durch den Einsatz weiterer Antiepileptika Anfallsfreiheit zu erzielen ist. Wir klärten ihn ferner über die Chancen und Risiken der resektiven Epilepsiechirurgie auf, insgesamt profitiert die Mehrzahl der Patienten deutlich von diesem Eingriff.

Der Patient konnte sich jedoch eine Operation an seinem Gehirn partout nicht vorstellen und lehnte daher die ihm dringend empfohlene prächirurgische Diagnostik ab. Da wir diese Erfahrung leider sehr häufig machen, haben wir über einen Zeitraum von 6 Monaten systematisch erfasst, wie oft Patienten die notwendige prächirurgische Diagnostik ablehnen und was die maßgeblichen Gründe dafür sind. Ärztlicherseits wurde etwa jedem zweiten Patienten mit pharmakoresistenter fokaler Epilepsie die prächirurgische Diagnostik empfohlen, bei den anderen Patienten war die Anfallsfrequenz oder –stärke zu gering. Es lehnten aber 75% der Patienten, denen – wie im vorliegenden Fall – das prächirurgische Monitoring empfohlen worden war, dieses ab. Der Hauptgrund war eine diffuse Angst vor einer Operation am Gehirn. Diese Erhebung zeigt, dass gegenüber Patienten mit schwer behandelbarer Epilepsie frühzeitig und intensiv Aufklärungsarbeit über Epilepsiechirurgie geleistet werden muss.

Wir werden auch bei dem hier vorgestellten Patienten bei jedem Ambulanztermin erneut das Thema Epilepsiechirurgie ansprechen.

Ein 57-jähriger Patient erlitt erstmals aus dem Wachen einen tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall ohne fokale Einleitung. Der Patient war ansonsten weitgehend gesund. Die auswärtige Diagnostik inkl. Routine-EEG und Kopf-MRT blieb ohne pathologischen Befund. In dieser Konstellation gingen wir bei einem ambulanten Vorstellungstermin zunächst von einem isolierten unprovozierten epileptischen Anfall aus. Wegen des geringen Rezidivrisikos empfahlen wir nicht die Einnahme eines Antiepileptikums, wir sprachen den Richtlinien gemäß ein Fahrverbot für Kraftfahrzeuge für 6 Monate aus.

Wenige Tage später stellte die Hausärztin im Rahmen einer umfangreichen Laboruntersuchung einen deutlich erniedrigten Wert für Magnesium im Serum fest (0,29 mmol/l; Normwert Erwachsene: 0,7-1,0 mmol/l). Ein Magnesium-Mangel kann bei Patienten ohne Epilepsie Ursache eines epileptischen Anfalls sein, wir sprechen dann von einem akut-symptomatischen Anfall. Nach der Definition der Internationalen Liga gegen Epilepsie wird ein erniedrigter Magnesium-Wert dann als akut ursächlich für einen epileptischen Anfall angenommen, wenn er unter 0,3 mmol/l liegt.

Magnesium ist ein Blocker des exzitatorischen (also des erregenden) NMDA-Rezeptors im Gehirn. Fehlt Magnesium, wird dieser Rezeptor enthemmt, es kommt zu einer erhöhten Exzitation der Nervenzellen. Dies kann im Extremfall in einem epileptischen Anfall münden.

Somit lag bei dem Patienten also kein isolierter unprovozierter, sondern ein akut-symptomatischer Anfall vor. Diese Zuordnung führt ebenfalls nicht zu der Empfehlung, Antiepilepileptika einzunehmen, hat aber Konsequenzen hinsichtlich des Fahrverbots. Dieses beträgt nämlich nach einem akut-symptomatischen Anfall nur 3 Monate, wenn denn die Ursache des Anfalls behoben ist. Auch wenn bei dem Patienten bisher nicht eindeutig geklärt werden konnte, warum er eine derart niedrige Magnesium-Konzentration aufwies, so hat er nun unter täglicher Substitution von Magnesium und regelmäßigen Kontrolluntersuchungen regelrechte Spiegel.

Dieser Fall zeigt, dass es auch seltene akute Ursachen für einen epileptischen Anfall gibt. Diese können mitunter Einfluss auf das Anfalls-Rezidivrisiko und somit auf die Dauer des Fahrverbots haben.

Ein 42-jähriger Patient berichtet, dass es im 22., im 30. und zuletzt im 36. Lebensjahr jeweils innerhalb von 60 min. nach dem Erwachen zu einem tonisch-klonisch generalisierten Anfall ohne fokale Einleitung gekommen war. Allen drei Anfällen ging ein sehr kurzer Nachtschlaf mit relevant erhöhtem Alkoholkonsum voraus. In mehreren interiktalen EEGs zeigten sich generalisierte 3/s Spike-wave-Komplexe mit frontalem Amplitudenmaximum. Bei dem Patienten besteht daher unstrittig eine idiopathisch generalisierte Epilepsie, das Subsyndrom ist eine Epilepsie mit Aufwach-Grand Mal. Der Patient ist seit dem ersten Anfall unter Berücksichtigung der spezifischen EEG-Veränderungen mit 900 mg Valproat täglich behandelt. Nach nunmehr 6 Jahren Anfallsfreiheit fragt der Patient nach Absetzen des Antiepileptikums. Da alle drei bisherigen Anfälle durch Schlafentzug und Alkoholkonsum ausgelöst (nicht: verursacht!) worden waren, gehen wir auch nach Absetzen von Valproat von einem geringen Rezidivrisiko aus, wenn die bekannten Triggerfaktoren vermieden werden können. Der Patient selbst schlug vor, dass er – bei erwartbarem Schlafentzug einhergehend mit erhöhtem Alkoholkonsum – für 2 bis 3 Tage vorab 900 mg Valproat einnimmt. Da wir insgesamt von einem eher geringen Rezidivrisiko ausgehen, hatten wir gegen diesen pragmatischen Vorschlag zumindest keine relevanten Einwände.

Wir haben den Patienten darüber aufgeklärt, dass er für 3 Monate nach der letzten Einnahme von Valproat nicht selbständig ein Kraftfahrzeug führen darf. Auch nach Ablauf dieser First darf er an Tagen nach Schlafentzug und/oder vermehrtem Alkoholkonsum – wegen der bei ihm sehr ausgeprägten Suszeptibilität – kein Auto fahren.

Dieser Fall zeigt, dass sich bei manchen Patienten mit idiopathisch generalisierter Epilepsie Anfälle ausschließlich im Rahmen der bekannten Auslösefaktoren manifestieren. Es handelt sich hierbei klassifikatorisch dennoch um unprovozierte (im Gegensatz zu akut-symptomatischen) Anfälle. Um Unklarheiten zu vermeiden, sollte man daher hinsichtlich der Umstände der Anfallsentstehung den Terminus „provoziert“ vermeiden und alternativ von „ausgelöst“ oder „getriggert“ sprechen.

Eine 49-jährige Patientin erleidet erstmals aus dem Wachen am Nachmittag unstrittig einen tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall. Ihr selbst und dem Begleiter ist keine fokale Einleitung des Anfalls erinnerlich. Die zentrale Frage lautet: Wie groß ist das Risiko für einen erneuten epileptischen Anfall?

In der Rettungsstelle wurde ein Computertomogramm des Schädels durchgeführt, hier fanden sich keine pathologischen Auffälligkeiten. Für eine ausreichende Sensitivität ist jedoch ein cerebrales MRT – durchgeführt nach dem Epilepsie-Protokoll mit temporaler Angulierung – notwendig, auch dieses war unauffällig. Ein Routine-EEG und ein Schlaf-EEG nach vorherigem Schlafentzug waren ebenfalls ohne pathologischen Befund.

In dieser Konstellation finden sich keine Hinweise für eine anhaltende Veränderung im Gehirn, die das Auftreten eines weitern epileptischen Anfalls wahrscheinlich macht. Nach der jüngsten Definition der Epilepsie muss das Risiko für einen weiteren – zweiten – unprovozierten Anfall in den folgenden 10 Jahren bei über 60 % liegen und damit dem nach zwei unprovozierten Anfällen entsprechen (Fisher et al. 2014 Epilepsia).

Wir konnten die Patientin somit darüber aufklären, dass bei ihr zwar ein leicht erhöhtes Risiko für einen weiteren epileptischen Anfall besteht, dass dieses aber nicht so hoch ist, dass definitionsgemäß bereits eine Epilepsie vorliegt.

Daher besteht auch keine Indikation für eine antiepileptische Therapie. Die Patientin darf für 6 Monate nicht selbstständig ein Kraftfahrzeug bis 3,5 t führen.

Hätte sich im cMRT oder im EEG ein pathologischer Befund gezeigt, läge bereits nach dem ersten Anfall ein relevant erhöhtes Rezidivrisiko und somit eine Epilepsie vor.

Dieses Fallbeispiel zeigt, wie hochrelevant es ist, nach dem ersten unprovozierten epileptischen eine adäquate Risikoabschätzung für einen weiteren epileptischen Anfall vorzunehmen.

Eine 26-jährige Patientin erleidet im 18. und 19. Lebensjahr erstmals und insgesamt drei tonisch-klonisch generalisierte epileptische Anfälle. Alle drei Anfälle treten innerhalb der ersten 30 min. nach dem morgendlichen Erwachen auf. Die Patientin gibt an, in jener Zeit einen sehr unregelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus gehabt zu haben. In einem damaligen EEG fanden sich generalisierte spike-wave-Komplexe mit einer Frequenz von 3/s. Es wurde korrekterweise die Diagnose einer idiopathisch generalisierten Epilepsie gestellt. Diese Form macht etwa 20% aller Epilepsien aus. Das Subsyndrom bei der hier beschriebenen Patienten ist eine Epilepsie mit Aufwach-Grand mal.

Bei der Behandlung der idiopathisch generalisierten Epilepsie mit Aufwach-Grand Mal ist Valproinsäure das Mittel der Wahl. Wegen möglicher Schädigungen des Embryos während der Schwangerschaft (Teratogenität) wird diese Substanz aber bei Frauen im gebährfähigen Alter nicht eingesetzt. Unsere Patientin war seit dem dritten Grand Mal mit Lamotrigin 100 mg/d behandelt, diese Substanz wurde nebenwirkungsfrei vertragen.

Wahrscheinlich aufgrund der anhaltenden Anfallsfreiheit hat sich die Patientin dann 5 Jahre nicht mehr in unserer Sprechstunde vorgestellt. Als sie dann im Alter von 26 Jahren wiederkam, berichtete sie, das Lamotrigin vor 6 Monaten gänzlich abgesetzt zu haben. Sie wollte von uns wissen, ob wir diesen Schritt gutheißen würden.

Wir konnten die Patientin darüber aufklären, dass es sich bei den idiopathisch generalisierten Epilepsien eher um eine gutartige Form handelt. Langfristig wird das Risiko immer geringer, dass noch weitere epileptische Anfälle auftreten. Nach Absetzen der Antiepileptika erleiden jedoch mehr als die Hälfte der Patienten ein Anfallsrezidiv.

Da unsere Patientin aber insgesamt nur drei epileptische Anfälle erlitten und das Antiepileptikum aus eigenem Antrieb heraus schon abgesetzt hatte, entschieden wir uns nach 6 Monaten Anfallsfreiheit ohne Antiepileptikum dafür, dieses nicht wieder anzusetzen.

Dieser Fallbericht zeigt, dass das Absetzen von Antiepiletika bei Epilepsie immer eine individuelle Entscheidung ist, die sowohl biologische Aspekte als auch die Erwartungshaltung von Patienten berücksichtigt.

Eine 43-jährige Patientin erlebt seit 8 Jahren rezidivierend kurze Episoden von 5-10 sec Dauer, bei denen sie ein Druckgefühl im Magen verspüre, dann schließe sich ein eher unspezifisches Gefühl im gesamten Körper an, im Anschluss spanne sich ihr Körper für 20 sec an. Es ließ sich nicht sicher erfragen, ob sie während der gesamten Episode bewusstseinsklar ist. Die Frequenz dieser Episoden beträgt etwa 2-3 / Monat. Die Patientin war bei Erstvorstellung in unserer Klinik mit 400 mg Zonisamid täglich behandelt. Sie selbst ging aber davon aus, dass es sich bei diesen Episoden um dissoziative Anfälle gehandelt hat. Im MRT zeigte sich eine Hippocampussklerose links.

Mit dem Ziel, diese Episoden diagnostisch zuzuordnen, führten wir eine Video-EEG-Langzeituntersuchung über 48 h durch. Da wir zu Beginn nicht sicher waren, ob es sich bei diesen Episoden um epileptische oder dissoziative Anfälle handelt, setzten wir das Zonisamid schrittweise ab. Während der Untersuchung trat eine dieser Episoden auf. Der klinische Ablauf war so, wie von der Patientin zuvor beschrieben. Die medizinisch-technische Assistentin betrat das Zimmer während der Phase der angespannten Körperhaltung. Die Patientin war zu diesem Zeitpunkt voll reagibel. Im EEG zeigte sich zu Beginn links temporal ein kurzes Anfallsmuster mit einer rhythmisierten Theta-Aktivität von 6-7 / s. Somit ließ sich das Druckgefühl im Magen sicher einer epigastrischen Aura, also einem einfach-fokalen epileptischen Anfall, zuordnen. Wir gehen davon aus, dass die spätere Phase mit der Anspannung des gesamten Körpers nicht mehr Teil des epileptischen Anfalls ist, sondern eher eine Reaktion auf die Aura und die mit verbundenen Unannehmlichkeiten darstellt.

Nach Aufklärung der Patientin wünschte diese, dass sie nach Absetzen von Zonisamid weiterhin unbehandelt bleibt. Sie würde lieber die epileptischen Auren aushalten, als erneut regelmäßig ein Antiepileptikum einzunehmen. Wir klärten die Patientin darüber auf, dass sie aufgrund der Hippocampussklerose eine erhöhte Anfallsbereitschaft habe. Wir könnten zudem nicht ausschließen, dass sich aus den Auren auch mal ein komplex-fokaler Anfall mit Bewusstseinsstörung oder sogar ein generalisiert tonisch-klonischer Anfall entwickelt. Die Patientin wollte dieses Risiko in Kauf nehmen. Da die Patientin seit mehr als 1 Jahr ausschließlich Anfälle ohne Bewusstseinsstörung zu haben scheint, darf sie ab 3 Monate nach Absetzen des Antiepileptikums Zonisamid wieder selbständig ein Kraftfahrzeug führen.

Ein 35-jähriger Patient leidet seit mehr als 10 Jahren unter Episoden, bei denen er nach eigenen Angaben ein aufsteigendes Angstgefühl verspüre, er vollzieht dann Handlungen, bei denen er sich beispielsweise die Hände vor sein Gesicht hält oder bei denen er mit seinem linken Arm wild um sich schlägt. Während dieser Episoden ist er wach und orientiert, er kann Fragen beantworten. Die Dauer beträgt in der Regel ca. 5 min. Zusätzlich zu diesen paroxysmalen Angstgefühlen besteht eine chronische generalisierte Angststörung. Bisher ließen sich diese Episoden nicht sicher epileptischen bzw. dissoziativen Anfällen zuordnen. Da die Frequenz etwa 2 pro Monat beträgt, konnten diese Episoden auch nie in Video-EEG-Langzeit-Untersuchungen erfasst werden. Auf Grund der generalisierten Angststörung war der Patient bisher mit Pregabalin behandelt.

Die stationäre Aufnahme in die Abteilung für Epileptologie erfolgte mit dem Ziel einer diagnostischen Zuordnung dieser Ereignisse. Wenige Tage nach Aufnahme entwickelte sich bei dem Patienten dann erneut das ihm bekannte aufsteigende Angstgefühl. Er bat einen der Pfleger, ihn in sein Zimmer zu begleiten. Dort angekommen, war der Patient zunächst sehr unruhig, er äußerte sich gegenüber dem Pfleger besorgt, er griff mehrfach zur Wasserflasche, er drehte sich umher und ruderte mit beiden Armen in der Luft. Währenddessen konnte er adäquat die Fragen des Pflegers beantworten. Diese Verhaltensänderungen deuten zunächst eher auf einen dissoziativen Anfall. Aber etwa 5 min nach Beginn dieser Episode entwickelte der Patient eine tonische Versteifung aller Extremitäten, die dann in bilaterale Kloni übergingen.

Aufgrund dieses eindeutigen Grand Mal am Ende der Episode konnte diese erstmals sicher einem epileptischen Anfall zugeordnet werden. Bei dem initialen Angstgefühl handelt es sich also um eine Angstaura, die einen mehrminütigen Verlauf nimmt und dann zum ersten Mal in einem Grand Mal mündete. Unklar bleibt, ob die Bewegungsmuster während der Aura Teil der iktalen Anfallssemiologie sind oder eher unbewusste Reaktionen auf die epileptische Angstsymptomatik darstellen.

Nachdem die Diagnose einer – bei unauffälligem cMRT- kryptogenen fokalen Epilepsie gestellt werden konnte, begannen wir eine antiepileptische Therapie mit Lamotrigin.

Ein 31-jähriger Patient ist seit mehr als 10 Jahren in unserer regelmäßigen ambulanten Behandlung. Im 18. Lebensjahr trat bei dem Patienten erstmals nach einer kurzen Nacht mit 3 Stunden Schlaf direkt nach dem Aufwachen ein tonisch-klonisch generalisierter epileptischer Anfall auf. In den folgenden 13 Jahren manifestierten sich zwei weitere tonisch-klonisch generalisierte Anfälle, beide nach Schlafmangel und jeweils kurz nach dem Aufwachen. Die Familienanamnese ist unauffällig, mehrere Routine-EEGs waren ohne pathologischen Befund.

Neben diesen epileptischen Anfällen berichtet der Patient über Episoden, bei denen er beim morgendlichen Erwachen komplett gelähmt im Bett liege, er könne gerade mal seine Zunge und die Augen bewegen. Diese Schlaflähmungen dauern etwa 1-2 min, sie sind extrem Angst-besetzt. Diese Episoden sind bisher etwa 5 Mal aufgetreten. Zusätzlich zu diesen Episoden berichtet der Patient über eine auffällige Tagesmüdigkeit. In einer polysomnographischen Untersuchung fand sich im multiplen Schlaflatenz-Test (MSLT) das Phänomen eines Sudden Onset REM-Sleeps (SOREM; d.h. frühzeitiges Auftreten von Schlafphasen mit Rapid Eye Movements = REM).

Bei dem Patienten lassen sich zwei Diagnosen stellen: Zum einen besteht eine Epilepsie, sehr wahrscheinlich handelt es sich um eine idiopathisch generalisierte Epilepsie, Subsyndrom: Epilepsie mit Aufwach-Grand Mal. Zum anderen besteht eine Narkolepsie, die durch Schlaflähmung und eine auffällige Tagesmüdkeitkeit gekennzeichnet ist. Die Diagnose einer Narkolepsie konnte durch den pathologischen SOREM-Befund im MSLT bestätigt werden.

Mittel der ersten Wahl bei idiopathisch generalisierten Epilepsien ist Valproat. Der Patient hat diese Substanz jedoch aufgrund vielfältiger unspezifischer Nebenwirkungen nicht vertragen. Unter einer Therapie mit 900 mg Carbamazepin ist er nun seit 3 Jahren frei von tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfällen. Diese Substanz ist bei idiopathisch generalisierten Epilepsien nicht ganz unproblematisch, da sie als Natrium-Kanal-Blocker Myoklonien und Absencen auslösen oder verstärken kann. Dies war jedoch bei diesem Patienten nicht der Fall. Die Narkolepsie wurde mit Modafinil behandelt, seit regelmäßiger Einnahme treten keine Schlaflähmungen mehr auf, die exzessive Tagesmüdigkeit hat sich deutlich gebessert.

Die Koinzidenz einer idiopathisch generalisierten Epilepsie mit einer Narkolepsie ist in der Literatur bisher nicht beschrieben. Genetische Gemeinsamkeiten sind bisher nicht aufgezeigt worden. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass Narkolepsien mit einer Prävalenz von 1 auf 5.000 sehr selten sind.

Eine 67-jährige Patientin stellt sich erstmals in Begleitung einer Freundin Ende April 2016 in der Epilepsie-Ambulanz der Charité vor. Sie berichtet, dass sie seit dem 11. Lebensjahr wiederholt – in der Regel mehrfach pro Jahr – stereotype Episoden erlebt, bei denen sie sich „komisch“ fühle, sie könne es kaum in Worte fassen. Die Freundin berichtet, dass die Patientin während dieser Episoden nicht adäquat auf Ansprache reagiere. Die Dauer betrage etwa 1-2 min. Orale oder manuelle Automatismen bestünden nicht. Die Patientin hat sich in ihrer Jugend „nicht getraut“, mit ihren Eltern über diese Episoden zu sprechen. Im Laufe ihres weiteren Lebens habe es auch mal Jahre gegeben, in denen diese Ereignisse gar nicht aufgetreten seien. Die Patientin hat diese Episoden als „Herzanfälle“ interpretiert, sie sei immer schon eher kränklich gewesen. Sie hat auch mehrfach mit ihrem Hausarzt über diese Ereignisse gesprochen, dieser habe sich aber – so die Patientin – mit ihrer Einschätzung einer kardialen Genese zufrieden gegeben.

Im Februar 2016 sei dann erneut eine solche Episode im Beisein der erwachsenen Kinder der Patientin aufgetreten. Diese haben die Patientin dann akut in der Rettungsstelle eines Krankenhauses außerhalb Berlins vorgestellt. Die Patientin wurde dort stationär neurologisch aufgenommen, diese Episoden wurden als auf komplex-fokale (= automotorische) Anfälle hochgradig verdächtig eingeschätzt. Ein EEG zeigte eine regionale Hirnfunktionsstörung links temporal, aber keine epilepsietypischen Potenziale. Ein cerebrales MRT zeigt einen Normbefund. Es wurde eine antiepileptische Therapie mit 2 x 250 mg Levetiracetam begonnen.

Aufgrund der eindeutigen Schilderungen von Seiten der Patientin selbst und von ihrer Freundin besteht keinerlei Zweifel an der Diagnose einer fokalen Epilepsie; bei unauffälligem cMRT ist diese ätiologisch kryptogen. Wir halten eine Tagesdosis von 500 mg Levetiracetam für zu gering und erhöhten die Dosis auf 1.000 mg täglich.

Studien an indigenen Völkern in den Anden haben gezeigt, dass das Ansprechen auf ein erstes Antiepileptikum auch nach langjährig regelmäßig auftretenden Anfällen genauso gut ist wie nach dem ersten oder wenigen Anfällen. Die Patientin wird sich in ein paar Monaten erneut in unserer Sprechstunde vorstellen, dann werden wir den Therapieerfolg einschätzen können.

Ein 67-jähriger Patient erleidet plötzlich eine Arm- und Gesicht-betonte Lähmung der linken Körperseite, in der Rettungsstelle wird die Diagnose eines ischämischen Schlaganfalls gestellt. Der Patient wird zur weiteren Behandlung auf die spezialisierte Schlaganfall-Station („Stroke Unit“) aufgenommen. In der ersten Nacht erleidet er erstmals einen tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall mit einer Dauer von gut 1 min und einer nachfolgenden Desorientiertheit von 20 – 25 min. Um das Auftreten weiterer Anfälle zu verhindern, bekommt der Patient das Benzodiazepin Clobazam in einer Dosis von 2 x 10 mg, zusätzlich erhält er 2 x 1.000 mg Levetiracetam. Das Clobazam wird nach wenigen Tagen wieder abgesetzt, bei Verlegung in der Rehabilitationsklinik nimmt er weiterhin Levetiracetam in o.g. Dosis.

Dieser Patient hat einen akut symptomatischen epileptischen Anfall erlitten. Ein epileptischer Anfall wird als akut symptomatisch definiert, wenn er innerhalb von 7 Tagen nach einem Schlaganfall oder einer anderen plötzlichen Hirnschädigung auftritt. 70% aller akut symptomatischen Anfälle treten jedoch – wie in dem vorliegenden Fall – innerhalb der ersten 24 h auf. Ca. 5% aller Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall erleiden einen solchen akut symptomatischen epileptischen Anfall, bei Hirnblutungen liegt das Risiko bei etwa 8%.

Die entscheidende Frage ist, wie hoch das Risiko für das Auftreten von weiteren epileptischen Anfällen ist. Für die Akut-Phase, d.h. innerhalb der genannten 7 Tage nach Schlaganfall, liegen keine belastbaren Zahlen vor. Das langfristige Risiko, innerhalb der nächsten 10 Jahren einen weiteren – dann (nach mehr als 7 Tagen) unprovozierten – Anfall zu erleiden, beträgt etwa 30%. Das heißt, dass mehr als zwei Drittel aller Patienten nach einem Schlaganfall-bedingten akut symptomatischen Anfall nie wieder einen epileptischen Anfall erleiden. Daher ist ein akut symptomatischer Anfall definitionsgemäß auch noch keine Epilepsie, da das Rezidivrisiko relativ gering ist.

Aus diesem Grund muss auch nicht langfristig ein Antiepileptikum eingenommen werden. Bei dem genannten Patienten haben wir bei Verlegung in der Rehabilitationsklinik empfohlen, dass das Levetiracetam spätestens nach 3 Monaten wieder abgesetzt werden soll. Leider geschieht dies im klinischen Alltag oftmals nicht.

Ein heute 22-jähriger Patient erlitt im Alter von 11 Jahren einen ersten und bis jetzt einmaligen tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall. Die initialen EEGs zeigten widersprüchliche Befunde, mitunter wurden irreguläre bilaterale Spike-waves oder aber auch Normalbefunde beschrieben. Ein MRT des Gehirns war unauffällig. Der Patient wurde nach jenem Anfall mit Valproat behandelt, mit zunehmendem Alter wurde die Dosis sukzessive auf 2.000 mg/Tag gesteigert.

Mit Erreichen des 18. Lebensjahrs stellte sich der Patient in unserer Epilepsie-Ambulanz für Erwachsene vor. Da er nun seit 7 Jahren anfallsfrei war und nur ein Anfall bei damals nicht eindeutigem EEG-Befund aufgetreten war, reduzierten wir schrittweise das Valproat und setzten es – bei erneut unauffälligem EEG – im Verlauf eines Jahres ab.

Der Patient berichtete dann im Verlauf, dass es neuerdings zu Zuckungen in beiden Beinen komme, die zu Stürzen führten. Auf Nachfrage erzählte er, dass diese Zuckungen auch die Arme betreffen würden. Die Zuckungen treten grundsätzlich nur in den frühen Morgenstunden in der ersten Stunde nach dem Erwachen auf, eine weitere Voraussetzung sei ein relativ verkürzter Nachtschlaf auf weniger als 6 h. Er nehme auf eigene Entscheidung hin an Abenden, an denen er eine reduzierte Schlafdauer voraussehen könne, 500 mg Valproat, so könne er die morgendlichen Zuckungen komplett verhindern.

Dieser junge Patient leidet an einer juvenilen myoklonischen Epilepsie, die Myoklonien waren jahrelang durch das Valproat unterdrückt und traten erst nach Absetzen auf. So konnte die korrekte Diagnose erst nach Absetzen des Antiepileptikums gestellt werden.

Therapeutisch haben wir in diesem Fall einen eher pragmatischen Weg eingeschlagen. Da die situationsbezogene Einnahme von Valproat – bei voraussehbarem Schlafmangel – die Myoklonien verhindern konnte, empfahlen wir dem Patienten, dieses Vorgehen fortzusetzen. Wir rieten ihm zudem, Schlafmangel möglichst vermeiden. Zudem solle er Alkohol nur in Maßen konsumieren, da auch ein erhöhter Alkoholkonsum einen Anfallstrigger bei juveniler myoklonischer Epilepsie darstellt.

… hat eine 38-jährige Patientin in den letzten 20 Jahren erlitten, ohne zu wissen, dass es sich hierbei um epileptische Anfälle gehandelt hat.

Seit ihrem 17. Lebensjahr traten stereotype Episoden auf, die mit einem Vertrautheitsgefühl begannen und sich dann in Richtung einer als kurz und leicht empfundenen Abwesenheit entwickelten. Die Patientin selbst hat diesen etwa wöchentlich auftretenden Episoden keine allzu große Bedeutung beigemessen, diese hatten für sie keinen Krankheitswert. Auch Freunde und Bekannte der Patientin sahen in diesen Episoden kein relevantes medizinisches Problem. Wegen einer komorbiden depressiven Störung hat die Patientin vor 3 Jahren eine Psychotherapie begonnen. Die Patientin hatte ihrer Psychotherapeutin von diesen „komischen“ Episoden berichtet. Letztere hatte diese allerdings dissoziativen (= psychogenen nicht-epileptischen) Anfälle zugeordnet.

Letztlich suchte die Patientin wegen Spannungskopfschmerzen einen Neurologen auf, dieser hat die Patientin wegen dieser Episoden dann unter dem Verdacht auf epileptische Anfälle in unserem Epilepsie-Zentrum zur weiteren Diagnostik und Therapie vorgestellt. Allein auf der Basis der guten Beschreibung durch die Patientin konnten wir die Diagnose einer fokalen Epilepsie mit déja vu-Auren und automotorischen (= komplex-fokalen) Anfällen stellen. Ein Kopf-MRT ergab einen unauffälligen Befund, somit wurde durch uns die Diagnose einer kryptogenen Epilepsie gestellt.

Wir begannen eine antiepileptische Therapie mit Lamotrigin, diese Substanz ist zusammen mit Levetiracetam in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie als Mittel der Wahl bei fokalen Epilepsien empfohlen. Auf Grund der depressiven Symptomatik haben wir uns gegen Levetiracetam entschieden. Mit Erreichen der Zieldosis von 150 mg täglich traten bei der Patientin keine epileptischen Anfälle mehr auf.

Dieser Fallbericht ist aus zwei Gründen von besonderem Interesse. Erstens sollten kurz dauernde paroxysmale Ereignisse mit einer Änderung der Wahrnehmung und/oder einer Abwesenheit einem – idealerweise auf Epilepsie spezialisierten – Neurologen mit der Frage nach epileptischen Anfällen vorgestellt werden. Zweitens sprechen Epilepsien nach vielen – auch wie im vorliegenden Fall über 1.000 – epileptischen Anfällen genauso gut auf eine erstmalige antiepileptische Therapie an wie solche nach 1 oder 2 Anfällen. Diese Beobachtung konnte auch im Rahmen von systematischen Studien an Menschen mit langjähriger unbehandelter Epilepsie in den Anden-Staaten gemacht werden. Wiederholte epileptische Anfälle scheinen also das Gehirn nicht „epileptischer“ zu machen, wie früher vielfach angenommen worden war.

Eine 23-jährige Patientin mit mittelschwerer Lernbehinderung leidet seit der Kindheit an einer fokalen Epilepsie mit automotorischen (= komplex-fokalen) und sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen. Bisher war sie mit neun verschiedenen Antiepileptika in jeweils ausreichend hoher Dosis behandelt, ohne anfallsfrei zu sein; es besteht also Pharmakoresistenz. Ein hochauflösendes MRT des Gehirns konnte keinen richtungsweisenden läsionellen Befund zeigen. Im prächirurgischen Monitoring mit Oberflächen-Elektroden konnte ein rechtshemisphärieller Anfallsbeginn gezeigt werden, die epileptogene Zone, die reseziert werden sollte, ließ sich so jedoch nicht definieren. Mit der Patientin und ihrer Familie wurde besprochen, dass der nächste diagnostische Schritt eine invasive EEG-Aufzeichnung mit subdural liegenden Plattenelektroden ist. Wie bei vielen Patienten konnte sich die Familie auch in diesem Fall zunächst nicht für diese Untersuchung entscheiden. Da 4-5 mal monatlich automotorische Anfälle auftraten, setzten wir dann die Substanz Perampanel ein. Unter einer Dosis von 8 mg täglich treten seitdem keine epileptischen Anfälle mehr auf. Die Patientin stellt sich einmal im Quartal in unserer Epilepsie-Ambulanz in der Charité vor, sie ist unter der Kombinationstherapie mit Perampanel nun seit 3 Jahren frei von epileptischen Anfällen.

In randomisiert Placebo-kontrollierten Studien, deren positives Ergebnis die Voraussetzung für die Zulassung eines Antiepileptikums zur Zusatztherapie ist, werden in der Regel höchstens 4-8 % der Patienten anfallsfrei, wobei die Studiendauer meist nur 3 Monate dauert. Der eigentliche primäre Endpunkt dieser Studien ist die Responderrate, d.h. der Anteil der Patienten, die unter dem Antiepileptikum im Vergleich zu den Wochen vor Einsatz des Studienmedikaments eine Reduktion der Anfallsfrequenz von mehr als 50 % aufweisen. Diese Responderrate liegt üblicherweise bei 30-40 % der Patienten. Wenn sich die Responderrate signifikant vor der der Placebo-Gruppe unterscheidet, kann eine Zulassung des Antiepileptikums bei der European Medicine Agency in London erfolgen. So ist es auch bei der hier eingesetzten Substanz Peramapanel gewesen.

In Deutschland gibt es seit 2011 das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG). Um eine adäquate Kostenerstattung von neuen Medikamenten zu erzielen, müssen die pharmazeutischen Unternehmen jenseits der o.g. Zulassungsstudien einen Zusatznutzen der neuen Substanzen nachweisen. Hier wird im Rahmen des AMNOG verlangt, dass ein neues Antiepileptikum in der Zusatztherapie nicht gegen Placebo, sondern gegen ein anderes Antiepileptikum getestet wird. Dies ist jedoch in den großen internationalen Zulassungsstudien nicht üblich, da die meisten potenziellen Studienteilnehmer die „alte“ Vergleichssubstanz bereits im Laufe ihrer Erkrankung eingenommen haben und somit nicht mehr in die Studie eingeschlossen werden können. Somit wurde in Deutschland Perampanel der Zusatznutzen nicht zugesprochen. Das pharmazeutische Unternehmen, welches Perampanel vertreibt, hat dieses Antiepileptikum zunächst 2 Jahre allen Patienten in Deutschland umsonst zur Verfügung gestellt. Jetzt wird dieses Antiepileptikum im Frühjahr 2016 vom Markt genommen.

Wie erklärt man der oben beschriebenen Patientin, die mit Perampanel seit 3 Jahren anfallsfrei ist und bei der deswegen kein epilepsiechirurgischer Eingriff durchgeführt werden musste, dass die Substanz keinen Zusatznutzen haben soll? In ihrem Fall ist dies nicht vermittelbar. Wir werden uns nun an die Krankenkasse dieser Patientin und an die anderer erfolgreich mit Perampanel behandelter Patienten wenden und bitten, dass die Kosten bei Bezug über internationale Apotheken dennoch übernommen werden. Die lernbehinderte Patientin wird die Kosten alleine nicht tragen können.

Ein 36-jähriger Patient hat seit dem 8. Lebensjahr eine fokale Epilepsie, nachdem er im Alter von 5 Jahren aus dem Fenster gestürzt war und sich dabei eine schwere Kopfverletzung zugezogen hatte. Im MRT des Schädels stellte sich eine große Läsion links im Schläfenlappen dar, welche bis ins Stirnhirn (Frontallappen) reichte. Die Anfälle waren semiologisch immer gleich, sie waren durch eine tonische Streckung, gefolgt von Kloni der rechten oberen Extremität charakterisiert. Die Frequenz betrug 4 bis 5 pro Monat. Nach einem invasiven Video-EEG-Langzeit-Monitoring mit subduralen Elektroden konnte der Anfallsfokus am hinteren Rand der Läsion ausgemacht werden, es erfolgte eine umschriebene Läsionektomie.

Sechs Monate nach der Resektion berichtete der Patient, dass es zweimal zu Anfällen gekommen sei; dies würde ihn sehr frustrieren, da die Hirnoperation ja nun „umsonst“ gewesen sei. Auf unsere konkrete Nachfrage hin stellten sich die Anfälle so dar, dass es nun zu motorischen Zeichen des gesamten Körpers komme, dies entspräche tonisch-klonisch generalisierten Anfällen. Da eine Zunahme der Anfallsschwere nach Epilepsiechirurgie zumindest ungewöhnlich klang, ließen wir uns telefonisch von einer Kollegin des Patienten einen der beiden Anfälle schildern. Demnach habe der Patient für 2 bis 3 Minuten auf dem Boden liegend mit Armen und Beinen „gezuckt“, die Symptomatik sei sehr fluktuierend gewesen, die Augen waren geschlossen, nach Ende der motorischen Zeichen war der Patient sofort reorientiert. Diese Schilderung sprach eindeutig für psychogene nicht-epileptische Anfälle.

Neu aufgetretene psychogene nicht-epileptische Anfälle nach erfolgreicher Epilepsiechirurgie wurden kürzlich in einer retrospektiven Studie bei 4% der Patienten beschrieben. Risikofaktoren waren weibliches Geschlecht und vorbestehende psychiatrische Erkrankungen.

Den o.g. Patienten klären wir sofort über unsere diagnostische Einschätzung auf und vermittelten innerhalb weniger Tage einen Vorstellungstermin in unserer Spezialambulanz für psychogene nicht-epileptische Anfälle, welche an der Charité Teil unseres Epilepsie-Zentrums ist.

Ein 48-jähriger Mann erleidet seinen ersten tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall, er erinnert keine fokale Einleitung. Im zeitnah durchgeführten Kopf-MRT findet sich eine 2 cm große Struktur im Bereich von Amygdala und Hippocampus rechts, sie nimmt kein Kontrastmittel auf. Es handelt sich am ehesten um ein Gangliogliom; dies ein gutartiger Tumor, den der Patient wahrscheinlich schon seit vielen Jahren oder Jahrzehnten hat. Nach der neuen Definition von Epilepsie der Internationalen Liga gegen Epilepsie besteht schon nach einem Anfall bei Nachweis einer ursächlichen Läsion eine Epilepsie, da das Risiko für weitere Anfälle in den kommenden Jahren signifikant erhöht ist.

Unter ausführlicher Erhebung der Anfallsanamnese berichtet der Patient, dass seit seinem 30. Lebensjahr, d.h. seit mehr als 15 Jahren, mehrfach pro Monat Episoden von 10-15 sec. Dauer mit einem Gefühl von Druck und Wärme in der Magengegend auftreten würden. Mitunter „wandere“ dieses Gefühl auch nach oben bis in den Hals. Während dieser Episoden ist der Patient wach, bewusstseinsklar und voll reagibel. Er hat sich schon zweimal bei einem Gastroenterologen vorgestellt, eine Magenspiegelung blieb ohne pathologischen Befund.

Diese stereotypen Episoden mit Wärme und Druck im Magen entsprechen eindeutig epileptischen Auren, per Definition sind dies einfach-fokale sensorische Anfälle. Diese Anfallssemiologie passt gut zu einem Anfallsursprung in mesio-temporalen Strukturen. Auren haben für sich alleine keinen großen Krankheitswert, wären sie aber früher als solche erkannt worden, wäre auch die cerebrale Bildgebung früher durchgeführt worden. Glücklicherweise hat der Patient sehr wahrscheinlich einen gutartigen Tumor, dieser hätte aber auch bösartig sein können und wäre dann nicht sofort entdeckt worden.

Wir begannen eine antiepileptische Therapie mit Zonisamid, 300 mg täglich in Einmalgabe. Unter dieser Therapie reduzierte sich die Frequenz der Auren auf einmal monatlich. Jetzt da die Episoden mit Magendruck diagnostisch zugeordnet werden konnten, toleriert der Patient eine Aura pro Monat, er möchte die Dosis des Antiepileptikums nicht erhöhen. Das vermeintliche Gangliogliom wird einmal jährlich im MRT hinsichtlich seiner Größe und seiner inneren Struktur kontrolliert.

Dieser Fall zeigt, dass der „erste Anfall“ oft gar nicht der erste Anfall ist, es sollte immer eine sehr genaue Erhebung der Krankheitsgeschichte erfolgen.

Ein 35-jähriger Mann leidet seit 8 Jahren an wiederholt auftretenden stereotypen Episoden, bei denen es zunächst zu Doppelbildern und dann nach 2-3 min. zu einer Lähmung der Gesichtsmuskulatur und des Armes jeweils rechts komme. Diese motorische Schwäche hält etwa 20-30 min. an, um sich dann wieder langsam zurückzubilden. Während dieser Episoden spricht der Patient sehr undeutlich; dies ist wahrscheinlich Folge der Lähmung der Gesichtsmuskulatur. Das Bewusstsein ist währenddessen erhalten. Die Ehefrau des Patienten hat eine dieser Episoden gefilmt, der Befund stellt sich eindeutig dar. Die anfallsartigen Lähmungen sind nicht von Kopfschmerzen begleitet. Die Frequenz der Ereignisse beträgt etwa 2-3 pro Jahr. Cerebrales MRT und EEG waren unauffällig.

Ein Bruder sowie die Mutter des Patienten leiden an einer Migräne mit visueller Aura; motorische Defizite sind bei ihnen bisher noch nicht aufgetreten.

Auswärts wurde initial die Diagnose transienter ischämischer Attacken, also vorübergehender Durchblutungsstörungen des Gehirns, gestellt; es wurde eine Sekundärprophylaxe mit dem Thrombozytenfunktionshemmer Aspirin begonnen. In einem weiteren Krankenhaus wurden die anfallsartigen Lähmungen dann einfach-fokalen epileptischen Anfällen zugeordnet. Die – vermeintliche – Epilepsie wurde mit Levetiracetam behandelt, dennoch traten die Episoden weiterhin auf.

Bei Erstvorstellung in unserer Epilepsie-Sprechstunde in der Charité gingen wir die Phänomenologie der Ereignisse mit dem Patienten und der Ehefrau noch mal in Ruhe durch. Gegen transiente ischämische Attacken spricht die jeweils langsam sich entwicklende Symptomatik, diese sollte bei einer Durchblutungsstörung plötzlich auftreten. Gegen fokale epileptische Anfälle spricht vor allem die lange Dauer der Ereignisse, epileptische Anfälle dauern in der Regel nicht länger als 2 min.

Nach Ausschluss von diesen beiden Differenzialdiagnosen gehen wir von einer sporadischen hemiplegischen Migräne aus, diese ist wegen der fehlenden Kopfschmerzen als atypisch einzuschätzen. Unter dieser Diagnose haben wir dann sowohl das Aspirin als auch das Levetiracetam abgesetzt.

Sekundärprophylaxe der Wahl bei rezidivierenden Attacken einer hemiplegischen Migräne ist Lamotrigin, dieses haben wir zunächst auf 150 mg täglich aufdosiert.

Ein 23-jähriger Mann hat in den letzen 4 Jahren drei wahrscheinlich tonisch-klonisch generalisierte epileptische Anfälle erlitten, es gab keine Hinweise auf eine fokale Einleitung. Eine eindeutige tageszeitliche Bindung bzw. Abhängigkeit vom Schlaf-Wach-Rhythmus ließ sich in der Anamnese nicht herausarbeiten. Mehrere Routine-EEGs und ein Kopf-MRT waren ohne pathologischen Befund. Der Patient war bisher nicht antiepileptisch behandelt. Somit sind wir auf der Basis des bisherigen Krankheitsverlaufs zunächst von einer unklassifizierten Epilepsie mit tonisch-klonisch generalisierten Anfällen ausgegangen.

Auch ein bei uns durchgeführtes Langzeit-Video-EEG war ohne pathologischen Befund. Um die diagnostische Sensitivität weiter zu erhöhen, führten wir einen Schlafentzug durch. Bei der Visite am nächsten Morgen trafen wir den Patienten zunächst schlafend an. Wir weckten ihn dann, und innerhalb weniger Minuten traten erste deutliche Myoklonien der oberen Extremitäten und des Rumpfes auf, die den im Bett sitzenden Patienten jeweils auf den Rücken warfen. Nach drei weiteren Minuten entwickelte sich aus diesen Myoklonien heraus ein tonisch-klonisch generalisierter Anfall mit entsprechendem Anfallsmuster im EEG. Somit konnte noch während der Visite die Diagnose eine idiopathisch generalisierten Epilepsie (Subsyndrom: juvenile myoklonische Epilepsie) gestellt werden, es wurde eine Therapie mit Valproat initiiert.

Dieser Fall zeigt einerseits, dass Schlafentzug einen Anfallstrigger bei idiopathisch generalisierten Epilepsien darstellt, andererseits ist bei diesem Epilepsiesyndrom das Wecken bzw. Erwachen eine zeitliche Prädilektion für die Manifestation eines Anfalls.

Ein 10-jähriger Junge erleidet vor 6 Monaten zwei erste generalisiert tonisch-klonische Anfälle mit einer vorangehenden epigastrischen Aura (d.h. der Patient spürt ein warmes Gefühl in der Magengegend, welches sich langsam nach oben in den Hals ausbreitet). Das Kopf-MRT ist unauffällig, es wird in einem auswärtigen Krankenhaus korrekterweise die Diagnose einer kryptogenen fokalen Epilepsie gestellt. Es wird eine antiepileptische Therapie mit Valproat begonnen, der 36 kg schwere Junge erhält in diesem Krankenhaus ein Aufdosierungsschema mit einer Zieldosis von 1.500 mg täglich.

Es treten unter Valproat zwar keine weiteren epileptischen Anfälle auf, der Junge wird aber zunehmend kognitiv langsamer, die schulischen Leistungen fallen ab, er wirkt letztlich fast apathisch.

Zur Einholung einer zweiten Meinung stellt sich der Junge mit seiner Mutter in unserer Ambulanz für Kinder und Jugendliche mit Epilepsie am Standort KEH vor. In einer dort sofort durchgeführten Bestimmung der Serumkonzentration von Valproinsäure zeigt sich ein massiv erhöhter Wert von 148 mg/l (die obere Grenze des Referenzbereichs liegt bei 100 mg/l). Der Junge wird bei uns stationär aufgenommen, um Valproat zu reduzieren und letztlich die antiepileptische Medikation auf Oxcarbazepin umzustellen. Schon wenige Tage nach unkomplizierter Umstellung macht der Junge einen wacheren Eindruck, die schulischen Leistungen werden sich erst im Verlauf einschätzen lassen.

Es ist richtig, dass nach zwei unprovozierten epileptischen Anfällen das Risiko für einen weiteren Anfall als so hoch eingeschätzt wird, dass eine antiepileptische Therapie notwendig ist. Bei dem oben beschriebenen Jungen liegt eine fokale Epilepsie vor. Bei diesem Syndrom ist Valproat als eher nachgeordnet anzusehen. Das eigentliche Problem lag jedoch in der raschen Aufdosierung des Antiepileptikums mit einer zu hohen Zieldosis. Die Serumkonzentration wurde nicht kontrolliert. Zudem hat es anscheinend keine ausreichende Aufklärung des Jungen und seiner Familie hinsichtlich der Epilepsie und deren Behandlung inkl. des Auftretens von unterschiedlichen Nebenwirkungen gegeben. Dies haben wir nun in ärztlichen und neuropsychologischen Gesprächen nachgeholt.

Eine 29-jährige Patientin leidet seit ihrem 13. Lebensjahr an einer idiopathisch generalisierten Epilepsie mit morgendlichen Myoklonien (Muskelzuckungen) beider Arme. Zudem ist es seit dem 14. Lebensjahr insgesamt fünfmal morgens nach dem Aufwachen zu einem tonisch klonisch generalisierten epileptischen Anfall gekommen. Häufig sind diese „großen“ Anfälle durch Schlafmangel in der Nacht zuvor getriggert worden. Das Alter bei Erkrankungsbeginn und die beiden Anfallsformen zeigen eine juvenile myoklonische Epilepsie an.

Die Patientin war zu Beginn der Erkrankung mit Lamotrigin behandelt, durch dieses Antiepileptikum kam es aber zu einer Zunahme der morgendlichen Myoklonien. Dies ist ein typischer unerwünschter Effekt von Natrium-Kanal-Blockern. Daraufhin wurde die Patientin auf Valproinsäure umgestellt, sie ist seit 10 Jahren unter einer täglichen Dosis von 1.200 mg frei von jeglichen epileptischen Anfällen.

Die Patientin stellt sich nun vor, da sie in den kommenden Monaten eine Schwangerschaft plant. Wir haben sie darüber aufgeklärt, dass eine Schwangerschaft unter Valproinsäure einerseits mit einem erhöhten Risiko für grobe Fehlbildungen des Kindes einhergehen kann und dass andererseits die intellektuellen Leistungen des Kindes beeinträchtigt sein können. Beide Komplikationen treten umso häufiger auf, je höher die Dosis ist. Daher sollten Schwangerschaften unter Valproat möglichst vermieden werden. Ein jüngst vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte versandter „Rote Hand Brief“ warnt vor Valproinsäure in der Schwangerschaft und weist darauf hin, dass diese Substanz nur eingesetzt werden darf, wenn alle anderen verfügbaren Antiepileptika nicht ausreichend gut gewirkt hatten oder nicht tolerierbare Nebenwirkungen aufgetreten waren.

Wir haben die Patientin dann von Valproinsäure auf Levetiracetam umgestellt. Dieses Antiepileptikum ist nur zur Zusatztherapie, nicht aber zur Monotherapie bei idiopathisch generalisierten Epilepsien zugelassen („off lable use“, d.h. Einsatz eines Medikaments jenseits der Zulassung). Dennoch hat es gerade bei juveniler myoklonischer Epilepsie eine exzellente Wirksamkeit. Leider kam es schon 3 Wochen nach Beginn der Therapie mit Levetiracetam zu psychischen Nebenwirkungen in Form von Angst und depressiven Symptomen. In einem nächsten Schritt behandelten wir die Patientin dann mit Topiramat. Unter 100 mg täglich trat nach 10 Jahren erstmals wieder ein tonisch klonisch generalisierter epileptischer Anfall auf. Die Patientin lehnte eine weitere Dosissteigerung ab. Wir berieten die Patientin dann dahingehend, dass wir zu Valproinsäure zurückkehren. Wir strebten nun aber eine deutlich geringere Dosis von 600 mg täglich an. Diese verteilten wir auf vier Einzeldosen von 150 mg, zusätzlich gaben wir 5 mg Folsäure.

Zusammengefasst sollte eine Schwangerschaft unter Valproinsäure – wenn möglich – vermieden werden. Bei idiopathisch generalisierten Epilepsien ist dieses Antiepileptikum aber die wirksamste Substanz, andere Medikamente können Anfallsrezidive nicht so zuverlässig verhindern. Somit ist es mitunter nicht möglich, auf Valproinsäure in der Schwangerschaft zu verzichten. Es sollte dann aber eine möglichst niedrige Tagesdosis angestrebt werden, um schädigende – teratogene – Effekte auf das Kind möglichst zu vermeiden.

Eine 67-jährige Patientin stellt sich in Begleitung ihrer Tochter in einer unserer Epilepsie-Ambulanzen vor. Die Patientin berichtet, dass seit dem Schulkindalter, konkret seit dem 9. Lebensjahr, täglich mehrfach Absencen auftreten. Zudem sei es etwa 5 Jahre später erstmals zu tonisch-klonisch generalisierten Anfälle gekommen. Erst dann wurde die Diagnose einer Epilepsie gestellt, es wurde eine Therapie mit Ethosuximid begonnen.

Nach kurzer Zeit wurde das Antiepileptikum wieder abgesetzt, seitdem nimmt die Patientin keine Antiepileptika mehr ein. Sie und ihre Tochter berichten, dass die Epilepsie in der Familie der Patientin, also durch ihre Eltern und ihre Geschwister, totgeschwiegen worden sein. Es hätte einfach nicht sein dürfen, dass ein Familienmitglied an einer Epilepsie leidet.

Der Tochter sei zwar aufgefallen, dass bei ihrer Mutter mehrfach täglich kurze Abwesenheiten aufgetreten seien; die Patientin habe sich aber über Jahrzehnte geweigert, einen Neurologen aufzusuchen. Nachdem zunehmend Konzentrationsstörungen aufgetreten waren, stellte sich die Patientin dann doch in der Epilespie-Ambulanz vor. Im EEG zeigten sich sehr häufige Spike-Wave-Komplexe mit 2-3/s für die Dauer von 3 Sekunden. Auf der Basis der Anamnese und des eindeutigen EEG-Befunds wurde die Diagnose einer kindlichen Absence-Epilepsie gestellt.

Unter der antiepileptischen Therapie mit 900 mg Valproinsäure täglich traten nach Angaben der Tochter 3 Monate später „kaum noch“ Absencen auf, und ein Kontroll-EEG zeigte nur noch vereinzelt Spike-Wave-Komplexe.

Zusammengefasst zeigt dieser Fall, dass Epilepsien auch heute noch – gerade bei älteren Patienten – stark stigmatisiert sind. Dieser Fall zeigt zudem, dass auch nach hundert Tausenden von Absencen das Ansprechen auf die Gabe von Antiepileptika unverändert gut ist.

Ein 16-jähriger junger Mann berichtet, dass bei ihm seit etwa 6 Monaten mehrfach pro Woche Zuckungen in den Armen auftreten würden. Im weiteren Gespräch klärt sich, dass die plötzlich einschießenden Bewegungen aus den Schultern kommen. Die Muskelzuckungen treten fast immer morgens innerhalb der ersten Stunde nach dem Aufwachen auf. Epileptische Anfälle mit einer Bewusstlosigkeit oder einer kurzen Abwesenheit sind nicht aufgetreten. Die Mutter des Patienten hat im Alter von 17 Jahren erstmals und in den folgenden Jahren etwa fünfmal einen tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall – ebenfalls nach dem morgendlichen Aufwachen – erlitten. Sie wurde zwischenzeitlich mit einem Antiepileptikum, an dessen Namen sie sich nicht mehr erinnert, behandelt. Seit dem 25. Lebensjahr sind keine weiteren epileptischen Anfälle mehr aufgetreten.

Der Jugendliche war bisher nicht antiepileptisch behandelt, da die diagnostische Zuordnung der Zuckungen unklar war.

In einer Video-EEG-Langzeit-Untersuchung über 48 h traten bei dem Patienten mehrfach morgens die von ihm schon beschriebenen Muskelzuckungen der oberen Extremitäten auf. Beim Schreiben auf der Tastatur seines Notebooks stieß er mit einer Hand gegen den Monitor, beim Schachspiel mit seinem Vater stieß er eine der Figuren von dem Brett. Im EEG fand sich zum Zeitpunkt der Muskelzuckungen eine generalisierte Entladungsaktivität mit mehreren rasch aufeinander folgenden Spitzen und dann einer langsamen Welle („polyspike-wave“).

Der elektroklinische Befund mit morgendlichen einschießenden Myoklonien in den Armen und generalisierten Polyspike-waves im EEG führt zu der Diagnose einer juvenilen myoklonischen Epilepsie (JME). Diese wird nach dem Berliner Epileptologen Dieter Janz, der sich schon in den 1950er Jahren mit diesem Syndrom intensiv beschäftigt hat, auch Janz-Syndrom genannt. Führendes klinisches Zeichen der JME sind die Extremitäten-Myoklonien, mitunter kommt es auch zu tonisch-klonisch generalisierten Anfällen. Die JME gehört zu den idiopathisch generalisierten Epilepsien (IGE), man geht ursächlich von einer genetischen Veränderung aus. Mitunter findet sich auch bei Familienmitgliedern ersten Grades eine IGE, die Mutter des Patienten litt an einer Epilepsie mit Aufwach-Grand Mal.

Therapie der Wahl bei IGE ist Valproinsäure. Wir haben dieses Antiepileptikum bei dem Patienten zunächst in einer niedrigen Dosis von 600 mg täglich eingesetzt. Zumindest in der ersten Woche unter Valproinsäure traten keine Myoklonien mehr auf.

In den vergangenen Jahrzehnten war man davon ausgegangen, dass die JME lebenslang antiepileptisch behandelt werden muss und dass ein Absetzen des Antiepiletikums fast immer mit einem Wiederauftreten der Anfälle verbunden ist. In den letzten Jahren haben allerdings fünf Langzeit-Studien gezeigt, dass die Prognose der JME deutlich besser ist als bisher angenommen. Bei vielen Patienten ist es jenseits der 4. Lebensdekade auch nach Absetzen der Antiepileptika nicht mehr zu epileptischen Anfällen gekommen.

Ein 15-jähriger Patient kommt in unsere Klinik zur Klärung der Frage, ob seine seit 6 Monaten auftretenden plötzlichen Bewusstseinsverluste mit nachfolgendem Sturz epileptische oder andere Anfälle sind. Unter anderen Anfällen versteht man z.B. Ohnmachtsanfälle (= Synkopen), sehr viel seltener sind kataplektische Anfälle, die im Rahmen der Erkrankung Narkolepsie auftreten können. Der Patient selbst konnte zu den bisherigen Anfällen nur sehr wenige Angaben machen, da er sich an den größten Teil des Anfalls nicht erinnert.

In unserer Klinik sind alle Patientenzimmer und alle Flure und Aufenthaltsräume mit Video-Kameras ausgestattet, die die Aufzeichnung von Anfällen und deren nachträgliche Auswertung erlauben. Bei dem ersten der Anfälle steht der Patient in seinem Zimmer am Fenster und beginnt gerade, aus einer Flasche Wasser zu trinken. Nach wenigen Sekunden gleitet die Hand mit der Wasserflasche langsam nach unten, der Patient taumelt und fällt schlaff nach hinten auf den Boden. Innerhalb weniger Sekunden ist der ganze Körper tonisch versteift, nach weiteren 20 Sekunden zeigen sich Kloni an allen Extremitäten. Nach dem Anfall ist der Patient für 20 min. desorientiert. Zusammengefasst hat es sich bei diesem Ereignis eindeutig um einen tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall gehandelt. Im weiteren Verlauf der Untersuchungen inkl. einem Video-EEG-Langzeit-Monitoring lässt sich eindeutig die Diagnose einer juvenilen myoklonischen Epilepsie stellen. Irritierend bei dem oben beschriebenen Anfall war, dass der Muskeltonus zu Beginn schlaff war, dies lässt zunächst an eine Synkope denken. Auf der anderen Seite haben videographische Analysen von induzierten Synkopen an gesunden Probanden gezeigt, dass der Körper hier zu Beginn tonisch angespannt sein kann.

Dieses Fallbeispiel soll illustrieren, dass einzelne Zeichen und Symptome nie hinreichend sind, um bei Anfällen die richtige Zuordnungen zu treffen. Es bedarf immer der Betrachtung des gesamten Ablaufs und klinischen Bildes.

Bei einem 32-jährigen Patienten wurde bei ausgeprägtem Übergewicht (140 kg bei 178 cm Körpergröße) vor 12 Monaten eine Magen-Bypass-Operation durchgeführt. Seitdem ist es fünfmal zu einem tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall gekommen. Vor dem Anfall wirkte der Patient für 5-10 min desorientiert, er selbst gibt eine vegetative Symptomatik mit Schwitzen an. Zweimal wurde kurz nach dem Anfall ein Zuckerwert im Blut gemessen, dieser war mit 40 und 42 mg/dl deutlich erniedrigt. Vor der Magen-Operation waren keine epileptischen Anfälle aufgetreten.

Zur Klärung der Ursache der Anfälle und ggf. zu ihrer Therapie stellte sich der Patient in einer unserer Ambulanzen vor. Ein 24-h-Video-EEG zeigte keine pathologischen Auffälligkeiten, ein cMRT war unauffällig. Nach ausführlicher Erhebung der Eigen- und der Fremdanamnese der Partnerin und unter Würdigung der uns vorliegenden aktuellen und früheren Befunde konnten wir den Patienten über unsere Einschätzung aufklären. Wir gehen davon aus, dass bei dem Patienten als Folge der Bypass-Operation ein Dumping-Syndrom (Spät-Dumping) vorliegt. Aufgrund der fehlenden Vorverdauung im Magen werden Kohlenhydrate verstärkt im Dünndarm resorbiert, dies führt zunächst zu einer Hyperglykämie. Daraufhin wird massiv Insulin freigesetzt, welches im Sinne einer überschießenden Reaktion zu einer Hypoglykämie führt. Diese verursachte bei unserem Patienten initial eine vegetative Symptomatik und nachfolgend tonisch-klonisch generalisierte epileptische Anfälle. Nachdem wir dem Patienten diesen Zusammenhang verständlich machen konnten, lernte er, den Beginn der hypoglykämischen Episoden zu erkennen und mit der Einnahme von Traubenzucker zu behandeln. Seitdem kam es nicht mehr zum Auftreten von epileptischen Anfällen.

Zusammengefasst traten bei dem Patienten i.R. eines Spät-Dumping-Syndroms wiederholt unter Hypoglykämie akut-symptomatische epileptische Anfälle auf. Eine antiepileptische Behandlung ist nicht notwendig, da der Patient die Episoden mit Unterzuckerung nun frühzeitig erkennt und mit Zuckerzufuhr behandelt. So kann er das Auftreten von epileptischen Anfällen verhindern.

Bei einem 27-jährigen Patienten traten vor 5 Jahren erstmals epileptische Anfälle mit Abwesenheit, starrem Blick sowie Schluckbewegungen für die Dauer von 1 min. auf. Diese automotorischen (= komplex fokalen) Anfälle manifestierten sich sowohl im Wachen als auch aus dem Schlaf heraus. Bei den Anfällen aus dem Wachen war keine vorangehende Aura-Symptomatik erinnerlich, bei den Anfällen aus dem Schlaf konnten hierzu naturgemäß keine Angaben gemacht werden. Zweimal durchgeführte MRTs des Gehirns blieben ohne pathologischen Befund. Zusammengefasst besteht bei dem Patienten eine kryptogene fokale Epilepsie.

Der Patient wurde initial mit Lamotrigin behandelt, unter einer Dosis von 500 mg täglich treten seit 4 Jahren keine Anfälle aus dem Wachen mehr auf. Die Partnerin des Patienten beschreibt jedoch weiterhin etwa 2-3 schlafgebundene automotorische Anfälle pro Jahr. Da der Patient diese Anfälle nicht bemerkt und nicht als störend wahrnimmt, ist er unserer Empfehlung einer antiepileptischen Kombinationstherapie nicht gefolgt.

Der Patient hat seit dem 18. Lebensjahr eine Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge, seit dem ersten Anfall im 22. Lebensjahr ist er kein Auto mehr gefahren. Er stellte jetzt die Frage, ob er denn wieder Auto fahren dürfe, da die epileptischen Anfälle seit 4 Jahren ausschließlich aus dem Schlaf heraus auftreten würden.

Wir konnten seine Frage bejahen. Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung der Bundesanstalt für Straßenwesen (November 2009) sehen zwar zunächst ein allgemeines Kraftfahrverbot bei Menschen mit Epilepsie vor. Es gibt jedoch Ausnahmen. Die bekannteste Ausnahme ist die einer mehr als 12-monatigen Anfallsfreiheit. Aber auch Menschen mit ausschließlich schlafgebundenen Anfällen dürfen nach 3 Jahren – trotz weiterhin auftretender Anfälle – selbstständig ein Kraftfahrzeug führen. Man geht davon aus, dass es – bei unveränderter antiepileptischer Medikation – nach 3 Jahren äußerst unwahrscheinlich ist, dass noch ein weiterer Anfall aus dem Wachen heraus auftritt.

Bei einem 32-jährigen Patienten ist vor 12 Monaten erstmals aus dem Schlaf ein tonisch-klonisch generalisierter epileptischer Anfall aufgetreten. Seitdem kam es zweimal aus dem Wachen zu einer Episode von weniger als einer Minute Dauer, die durch eine Abwesenheit und unwillkürliche Schluckbewegungen gekennzeichnet war – dies sind die typischen klinischen Zeichen eines automotorischen (= komplex fokalen) epileptischen Anfalls. Der Patient konnte nach dem Anfall gleich wieder sprechen. Ein EEG – im Wachen und im Schlaf – zeigt eine Verlangsamung rechts temporal, jedoch keine epilepsie-typischen Potenziale. Das MRT des Gehirns ist unauffällig. Bei diesem Patienten besteht eine kryptogene fokale Epilepsie, wsl. liegt der Anfallsursprung im rechten Temporallappen.

Bei der Beratung in unserem Epilepsie-Zentrum klären wir zunächst über die Grundlagen der Erkrankung Epilepsie auf und empfehlen dann – der Patient war bisher unbehandelt – die regelmäßige Einnahme eines Antiepileptikums. Da der Patient mit 105 kg übergewichtig war und er zudem um eine möglichst unkomplizierte Behandlung bat, empfahlen wir Zonisamid (= Zonegran®). Dieses Medikament führt sehr wahrscheinlich nicht zu einer Gewichtszunahme, sondern eher zu einer –abnahme, wegen der langen Halbwertzeit reicht zudem die tägliche Einmalgabe aus.

Wir klärten den Patienten darüber auf, dass er 12 Monate frei von epileptischen Anfällen sein muss, um wieder selbständig ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen.

Am Ende des Gesprächs brachte der Patient die Frage vor, die ihn seit einiger Zeit am meisten bewegt: Gehen bei epileptischen Anfällen Nervenzellen unwiederbringlich verloren? Und bedeutet dies, dass er um seine kognitiven Fähigkeiten bangen muss? Wir konnten den Patienten beruhigen und ihn darüber aufklären, dass es bisher keine Hinweise darauf gibt, dass bei „normalen“ epileptischen Anfällen, die weniger als 2 min. dauern, Nervenzellen zerstört werden. Methodisch ist dies natürlich schwer nachzuweisen. Es gibt Langzeituntersuchungen mit dem MRT des Gehirns, die über einen Verlauf von mehr als 3 Jahren haben zeigen können, dass bei regelmäßig auftretenden epileptischen Anfällen, keine – im Vergleich zu Kontrollpersonen ohne Epilepsie – zusätzlichen Schädigungen aufgetreten sind.

Neuropsychologische Langzeituntersuchungen über Jahrzehnte haben zudem zeigen können, dass bei allen Menschen mit zunehmendem Lebensalter langsam Einschränkungen des Gedächtnisses auftreten, so auch in gleichem Maße bei Menschen mit Epilepsie. Der Unterschied besteht darin, dass bei Menschen mit Epilepsie schon zu Beginn der Erkrankung die Gedächtnisleistung leicht unter der von Menschen ohne Epilepsie liegen kann. Im Alltag hat dies in der Regel keine Bedeutung. Dies zeigt aber an, dass leichte Störungen des Gedächtnisses Folge der der Epilepsie zugrundeliegenden Gehirnerkrankung sind, nicht aber Folge der Epilepsie und der epileptischen Anfälle. Ältere Antiepileptika haben früher oft dazu geführt, dass Patienten mit Epilepsie hinsichtlich ihrer kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt waren. Die heute verfügbaren neueren Substanzen bergen dieses Risiko kaum noch.

Zusammengefasst: epileptische Anfälle führen nicht dazu, dass Nervenzellen zerstört werden, sie führen zudem nicht dazu, dass sich Gedächtnisstörungen entwickeln.

Bei einer heute 57-jährigen Patientin traten im 26. Lebensjahr erstmals tonisch-klonisch generalisierte Anfälle aus dem Wachen heraus auf. Eine fokale Einleitung der Anfälle wurde von der Patientin nicht erinnert. Mehrfach durchgeführte EEGs zeigten keine pathologischen Auffälligkeiten. Eine Ursache der Epilepsie wurde nicht gefunden, ein damals durchgeführtes Computertomogramm des Gehirns sowie Kopf-MRTs im weiteren Verlauf zeigten jeweils einen Normalbefund. Zusammengefasst besteht bei der Patientin eine unklassifizierte Epilepsie – es gibt weder Hinweise auf ein generalisiertes noch auf ein fokales Epilepsie-Syndrom.

Die Patientin war zu Beginn mit Valproinsäure behandelt, darunter hat sie aber mehr als 10 kg an Gewicht zugenommen. Danach folgte eine Behandlung mit Carbamazepin, welches auf Grund von unspezifischen Nebenwirkungen vor etwa 15 Jahren auf Lamotrigin umgestellt wurde. Die Patientin nimmt zurzeit 2 x 100 mg, die Substanz wird nebenwirkungsfrei vertragen.

Da die Patientin seit mehr als 25 Jahren frei von epileptischen Anfällen ist, besprachen wir mit ihr mehrfach die Möglichkeit, das Lamotrigin abzusetzen. Die Wahrscheinlichkeit, nach Absetzen des Antiepileptikums anfallsfrei zu bleiben, ist bei dieser Patientin sehr groß, da sowohl das cerebrale MRT als auch das EEG unauffällig sind. Ein weiterer günstiger prognostischer Marker ist die Tatsache, dass die Patientin schon mit dem ersten Antiepileptikum anfallsfrei geworden ist – die medikamentösen Umstellungen erfolgten allein aufgrund von Unverträglichkeiten der Substanzen.

Auch unter Berücksichtigung all dieser Argumente wollte die Patientin jedoch das Lamotrigin nicht absetzen. Sie habe die damaligen Anfälle als sehr belastend empfunden und habe große Angst vor dem Wiederauftreten der Anfälle ohne Lamotrigin. Zudem vertrage sie die Substanz gut.

Wir können die Sicht der Patientin nachvollziehen und sehen auch kein medizinisches Problem in der Fortsetzung der bisherigen Lamotrigin-Behandlung.

Ein 22-jähriger junger Mann erleidet einen ersten tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall mittags aus dem Wachen heraus. Eine fokale Einleitung ist nicht erinnerlich. Er hatte in der Nacht zuvor weniger als sonst geschlafen. Weitere Anfallsformen sind auch auf konkrete Nachfrage hin bisher nicht aufgetreten. In einem von uns durchgeführten Routine-EEG zeigten sich generalisierte Spike-Wave-Komplexe mit 3/s und mit frontalem Amplitudenmaximum. Diese Konstellation zeigt an, dass bei dem Patienten ein signifikant erhöhtes Risiko für das Auftreten weiterer unprovozierter epileptischer Anfälle besteht, dies definiert eine Epilepsie. Aufgrund der Anfallssemiologie, des Triggers Schlafmangel und des interiktalen EEG-Befundes ordnen wir das Syndrom einer idiopathisch generalisierten Epilepsie zu. Wir begannen eine Therapie, die letztlich einen Schutz vor weiteren epileptischen Anfällen und somit eine Sekundärprophylaxe darstellt, mit Valproinsäure 2 x 300 mg täglich. Wir klärten den Patienten darüber auf, dass er für 12 Monate nicht selbständig ein Kraftfahrzeug führen darf.

Eine ältere Definition der Epilepsie verlangte das Auftreten von mindestens zwei unprovozierten epileptischen Anfällen. Die nun revidierte Epilepsie-Definition der Internationalen Liga gegen Epilepsie sieht vor, dass eine Epilepsie bereits vorliegen kann, wenn nach einem unprovozierten Anfall ein erhöhtes Risiko für weitere Anfälle aufgezeigt werden kann. Eine strukturelle Läsion im cMRT oder epilepsie-typische Potenziale im EEG zeigen ein solch erhöhtes Risiko an. Es besteht dann eine Behandlungsindikation. Wenn das cMRT und das EEG unauffällig sind, besteht nach einem ersten unprovozierten Anfall kein relevant erhöhtes Rezidivrisiko, wir sprechen dann von einem isolierten unprovozierten Anfall. Dieser muss nicht behandelt werden, es besteht ein KFZ-Fahrverbot von 6 Monaten.

Die Frage „Ist ein Anfall schon eine Epilepsie?“ muss also mit ja und nein beantwortet werden, entscheidend ist die Höhe des Rezidivrisikos.

Ein 42-jähriger Patient mit mittelschwerer geistiger Behinderung leidet seit seiner frühen Kindheit an einer fokalen Epilepsie. Er kann keine Angaben zu einer etwaigen Aura machen, es traten früher jedoch häufig automotorische (= komplex-fokale) und generalisiert tonisch-klonische (= Grand Mal) Anfälle auf. Unter der aktuellen antiepileptischen Therapie mit Phenytoin 350 mg, Levetiracetam 2.000 mg und Lacosamid 400 mg kommt es etwa 1-2 mal pro Jahr zu einem leichten automotorischen Anfall. Die gemeinsame Ursache der geistigen Behinderung und die der Epilepsie ist unklar.

Den Betreuern des Patienten war in den vergangenen Monaten aufgefallen, dass das Gangbild – mit Schwankungen – unsicherer war als sie es bisher kannten. Dies stand möglicherweise in ursächlichem Zusammenhang mit der Phenytoin Serum-Konzentration mit Werten zwischen 18 und 25 mg/l.

Zur Optimierung der pharmakologischen Therapie wurde der Patient bei uns auf die Station für Menschen mit Epilepsie und zusätzlicher Behinderung aufgenommen. Während des vierwöchigen stationären Aufenthalts reduzierten wir schrittweise die Phenytoin-Dosis, um das Medikament letztlich abzusetzen. In diesem Zuge besserte sich das Gangbild des Patienten zusehends. Während des Aufenthalts und in den ersten 6 Monaten danach kam es bisher nicht zu einem epileptischen Anfall.

Dieser Fall zeigt, dass weniger Antiepileptika – in Anzahl der Substanzen oder Höhe der Dosierung – oft genau so wirksam sind wie mehr. Eine große Langzeit-Studie über mehr als 20 Jahre hat gezeigt, dass bei schwer behandelbaren Epilepsien zwei Antiepileptika wirksamer sind als eine Monotherapie, auf der anderen Seite waren aber drei Substanzen nicht besser als zwei, es traten – wie in unserem Fall – nur mehr Nebenwirkungen auf.

Die 27-jährige Patientin stellt sich ambulant vor, weil sie seit ca. 10 Jahren plötzlich die Kontrolle über ihre Muskelkraft verliert, wenn sie lachen muss oder wenn sie sich intensiv körperlich betätigt, wie z.B. während des von ihr intensiv betriebenen Fitness-Trainings. Der Kontrollverlust über ihre Muskulatur betrifft vor allem die Hals-und Nackenmuskulatur, aber auch die Arme und Beine, so dass ihr Gegenstände aus der Hand fallen oder sie zu Boden stürzt. Die Anfallsfrequenz hängt von der Häufigkeit ab, mit der die adäquaten Auslöser auftreten. Ferner ist sie seit mehreren Jahren vermehrt am Tage müde obwohl sie nachts ausreichend schläft. Es kann durchaus vorkommen, dass sie am Tag plötzlich für zehn bis 20 Minuten einschläft, selbst dann wenn sie sich eigentlich gar nicht richtig müde fühlt. Im Verlauf der letzten zehn Jahre hat sie ungefähr 30 kg Gewicht zugenommen, ohne dass sie ihre Ernährungsgewohnheiten geändert hätte. Sie hat jetzt einen Body-Mass-Index von 38,7. Weitere Beschwerden hat sie nicht. Psychiatrische Symptome lagen zu keinem Zeitpunkt vor ebenso wenig wie andere Erkrankungen.

Wegen der vermehrten Müdigkeit und Einschlafneigung am Tage liegt eine Indikation zur apparativen schlafmedizinischen Diagnostik vor, die während eines dreitägigen stationären Aufenthalts in einem Schlaflabor durchgeführt wird. Die Polysomnographie ist in allen Aspekten normal. Im Multiplen Schlaflatenz-Test schläft sie bei fünf Einschlafversuchen (durchgeführt um 9, 11, 13, 15 und 17 Uhr) fünf Mal mit einer durchschnittlichen Latenz von 2,6 Minuten ein. Vier Mal tritt ein verfrühter REM-Schlaf (SOREM = sleep onset REM) mit einer durchschnittlichen Latenz von 3,7 Minuten auf.

Die Anamnese und die Befunde des Multiplen Schlaflatenz-Tests begründen die Diagnose einer Narkolepsie mit Kataplexie (= Narkolepsie Typ I). Die Narkolepsie mit Kataplexie führt zur erhöhten Tagesmüdigkeit, bisweilen auch zu abrupt einsetzenden Einschlafattacken mit und ohne gesteigertem Müdigkeitsgefühl, die oft nicht länger als 20 Minuten anhalten. Kataplexien zeichnen sich durch einen Verlust der Muskelkraft (Muskeltonus) aus, der häufig nur in einer Körperregion in emotional konnotierten Situationen (Lachen, Freude, Schreck) auftritt. Die erhebliche Gewichtszunahme ist ebenfalls als Symptom der Narkolepsie mit Kataplexie infolge einer positiven Energiebilanz aufzufassen.

Der Narkolepsie mit Kataplexie liegt fast immer ein Mangel des Neurotransmitters Orexin (= Hypokretin) zugrunde, der ausschließlich im lateralen Hypothalamus gebildet wird. Demgegenüber stellt die Narkolepsie ohne Kataplexie kein Orexin-Mangelsyndrom dar, sondern entspricht einer anderen Krankheitsentität. Vermutlich führt eine autoimmunologisch bedingte, selektive Entzündung im Hypothalamus zum Verlust an Orexin-produzierenden Nervenzellen.

Die medikamentöse Therapie der Narkolepsie mit Kataplexie erfolgt mit Gammahydroxybuttersäure zur Reduktion der kataplektischen Attacken, ferner mit stimulierenden Substanzen wie Modafinil oder Methylphenidat. Mit diesem therapeutischen Ansatz ließen sich bei der Patientin die Häufigkeit der Kataplexien und die Einschlafneigung am Tage deutlich reduzieren, nicht aber das Übergewicht, weswegen sie eine Fettabsaugung in Erwägung zieht.

Eine 22-jährige junge Frau stellt sich erstmals in einer unserer Epilepsie-Ambulanzen vor. Seit dem 16. Lebensjahr treten regelmäßig Anfälle mit einer Abwesenheit und fehlender Reagibilität auf Ansprache sowie ausgeprägten oralen und manuellen Automatismen auf. Hierbei handelt es sich rein semiologisch eindeutig um automotorische (= komplex fokale) epileptische Anfälle. Die Frequenz beträgt 1-2 pro Monat. Die Ätiologie ist unklar, zu Beginn der Erkrankung sei ambulant ein MRT durchgeführt worden, sie habe aber weder die Bilder noch einen schriftlichen Befund. Die Patientin ist ansonsten gesund, sie arbeitet als Bürokauffrau.

Die antiepileptische Therapie besteht zurzeit aus Levetiracetam 2 x 1.500 mg täglich. Ganz zu Beginn ihrer Epilepsie wurde die Patientin mit Oxcarbazepin behandelt, dieses Medikament hat sich jedoch nicht vertragen (genaue Beschwerden unklar).

Die Patientin stellte sich nun auf eigenen Antrieb in unserer Sprechstunde mit der Frage nach einer Optimierung der antiepileptischen Therapie vor. Ihre bisher behandelnde Ärztin habe ihr gesagt, sie könne doch mit der aktuellen Behandlung zufrieden sein, da es anderen Patienten noch viel schlechter gehe.

Wir empfahlen der Patientin die zusätzliche Einnahme von Lamotrigin und dosierten dieses vorsichtig bis zu einer initialen Zieldosis von 200 mg täglich auf. Bei Auftreten weiterer Anfälle kann die Dosis dieses Antiepileptikums schrittweise weiter erhöht werden, manche Patienten nehmen nebenwirkungsfrei bis zu 800 mg täglich ein. In dieser Konstellation hat die Patientin eine Chance auf Anfallsfreiheit von etwa 20-30 %. Sollten auch unter hohen Dosen von Levetiracetam in Kombination mit Lamotrigin weiter epileptische Anfälle auftreten, besteht definitionsgemäß Pharmakoresistenz. Es sollte dann die Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs erwogen und ein intensiviertes Video-EEG-Monitoring durchgeführt werden.

Wir initiierten eine aktuelle Bildgebung des Gehirns mit Hilfe eines 3 Tesla-MRTs nach einem spezifischen Epilepsie-Protokoll. Die Patientin stellt sich in drei Monaten erneut in unserer Epilepsie-Ambulanz vor.

Ein 7-jähriges Mädchen leidet seit dem 3. Lebensjahr unter mehrfach täglichen Episoden mit Abwesenheit, währenddessen treten ganz diskrete unwillkürliche Bewegungen des Mundes auf. Die Dauer dieser a.e. atypischen Absencen beträgt etwa 15-20 sec. Bei dem Kind besteht eine mittelgradige Entwicklungsverzögerung, es besucht seit einem Jahr eine Schule für geistig Behinderte. Ursächlich sind die Epilepsie und die geistige Behinderung unklar, im cerebralen MRT zeigt sich eine allenfalls leichte globale Atrophie, die Liquoruntersuchung ergab einen unauffälligen Befund.

Das Mädchen ist in den vergangenen 4 Jahren mit sechs verschiedenen Antiepileptika behandelt worden, auch die jetzige Gabe von Oxcarbazepin und Levetiracetam konnte nicht zu einer nennenswerten Minderung der Anfallshäufigkeit führen.

In dieser Situation besprachen wir mit den Eltern die Möglichkeit einer ketogenen Diät. Dieses Therapieverfahren ist bei Epilepsien seit mehr als 80 Jahren bekannt. Bei dieser Diätform werden wenig Kohlenhydrate, dafür aber umso mehr Fette eingesetzt. Dies führt dazu, dass der Körper einen Glukoseersatz (Glucose = Zucker) aufbaut, die sogenannten Ketonkörper, welche dieser diätetischen Therapieform der Epilepsien ihren Namen geben. Auch wenn der genaue Wirkmechanismus unklar ist, führt diese Form der Diät – insbesondere bei Kindern mit Epilepsie – oft zu weniger Anfällen. Diese besondere Ernährung muss dann konsequent – Tag für Tag – umgesetzt werden, hierfür werden Eltern und ggf. auch die Kinder von speziell ausgebildeten Diätberatern geschult.

Die Eltern unserer Patientin waren mit dem Beginn einer ketogenen Diät einverstanden und wurden während eines stationären Aufenthalts im Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg entsprechend angeleitet.

Schon wenige Tage nach Beginn der ketogenen Diät traten bei der jungen Patientin deutlich weniger Anfälle auf. Bei einem ambulanten Besuch etwa einen Monat später berichtete die Mutter von etwa einem Anfall pro Woche. Wir kamen mit der Mutter überein, die ketogene Diät – solange die Tochter diese gut toleriert – als Therapie der Epilepsie fortzuführen.

Ein 18-jähriger Patient leidet seit der frühen Schulzeit an einer fokalen Epilepsie mit monatlich 2-3 automotorischen (= komplex-fokalen, d.h. mit einer Bewusstseinsstörung einhergehenden) Anfällen. Der Patient hat in den vergangenen 10 Jahren bereits vier unterschiedliche Antiepiletika eingenommen, ohne dass es zu einer relevanten Reduktion der Anfallsfrequenz gekommen war. Ätiologisch ist die Epilepsie auf eine linksseitige Hippocampus-Sklerose, also einen narbigen Umbau von Strukturen im mesialen Schläfenlappen, zurückzuführen.

Der Patient berichtet über zahlreiche Einschränkungen im sozialen Leben, wie beispielsweise beim Schwimmen oder beim Erwerb des Führerscheins. Zudem fühlt er sich – 1 Jahr vor dem Abitur – wegen der häufigen Anfälle in seiner kognitiven Leistungsfähigkeit eingeschränkt.

Der Patient stellte sich im Frühjahr 2013 erstmals in unserer Epilepsie-Sprechstunde vor. Schnell war klar, dass bei dem Patienten zeitnah eine Evaluation hinsichtlich eines epilepsie-chirurgischen Eingriffs erfolgen sollte. Wenige Wochen später konnten wir in der intensivierten Video-EEG-Langzeit-Untersuchung mehrere für den Patienten typische epileptische Anfälle aufzeichnen, die auf einen Anfallsursprung links temporo-mesial hinwiesen. Da eine eindeutige Kongruenz mit dem MRT-Befund einer linksseitigen Hippocampus-Sklerose bestand, empfahlen wir dem Patienten eine standardisierte anteriore Temporallappen-Resektion, die unter Einschluss von Hippocampus und Amygdala die vorderen zwei Drittel des Schläfenlappens umfasst. Wir klärten den Patienten darüber auf, dass – auf der Basis des heutigen Wissensstands – bei rein medikamentöser Therapie nicht mit einer anhaltenden Anfallsfreiheit gerechnet werden kann. Der Patient willigte in die Operation ein, diese konnte zwei Wochen später, im Mai 2013, komplikationslos durch unsere neurochirurgischen Kooperationspartner in der Charité durchgeführt werden.

Ein Jahr nach der Operation wurde der Patient zur Kontrolle erneut kurz bei uns stationär untersucht. Seit der Temporallappen-Resektion sind bei dem Patienten keine weiteren Anfälle mehr aufgetreten. Neuropsychologisch sind keine durch die Operation verursachten Defizite festgestellt worden.

Der Patient hat im Frühjahr 2014 sein Abitur erfolgreich bestanden, er wird im Herbst 2014 ein Studium beginnen. Insbesondere schätzt er seine durch die Operation gewonnene Unabhängigkeit, er kann alleine schwimmen und wird in den kommenden Wochen seinen Führerschein erwerben.

Während die pharmakologische Therapie der Epilepsien eine symptomatische, d.h. eine lediglich anfallsunterdrückende, ist, stellt die Epilepsiechirurgie einen kausalen (= ursächlichen) Behandlungsansatz dar. Temporallappen-Resektionen bei nachgewiesener Hippocampus-Sklerose führen in über 70% der Fälle zu kompletter Anfallsfreiheit. Nach zwei Jahren postoperativer Anfallsfreiheit können die Antiepileptika reduziert und perspektivisch ggf. auch abgesetzt werden. Wenn bei Patienten mit Epilepsie Resistenz gegenüber zwei Antiepileptika nachgewiesen worden ist, sollten die Patienten zeitnah hinsichtlich eines potenziellen epilepsiechirurgischen Eingriffs evaluiert werden. Je jünger die Patienten zum Zeitpunkt der Operation sind, umso besser ist die soziale Prognose.

Ein 16-jähriger junger Mann berichtet, dass bei ihm seit etwa 6 Monaten mehrfach pro Woche Zuckungen in den Armen auftreten würden. Im weiteren Gespräch klärt sich, dass die plötzlich einschießenden Bewegungen aus den Schultern kommen. Die Muskelzuckungen treten fast immer morgens innerhalb der ersten Stunde nach dem Aufwachen auf. Epileptische Anfälle mit einer Bewusstlosigkeit oder einer kurzen Abwesenheit sind nicht aufgetreten. Die Mutter des Patienten hat im Alter von 17 Jahren erstmals und in den folgenden Jahren etwa fünfmal einen tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall – ebenfalls nach dem morgendlichen Aufwachen – erlitten. Sie wurde zwischenzeitlich mit einem Antiepileptikum, an dessen Namen sie sich nicht mehr erinnert, behandelt. Seit dem 25. Lebensjahr sind bei ihr keine weiteren epileptischen Anfälle mehr aufgetreten.

Der Jugendliche war bisher nicht antiepileptisch behandelt, da die diagnostische Zuordnung der Zuckungen unklar war.

In einer Video-EEG-Langzeit-Untersuchung über 48 h traten bei dem Patienten mehrfach morgens die von ihm schon beschriebenen Muskelzuckungen der oberen Extremitäten auf. Beim Schreiben auf der Tastatur seines Notebooks stieß er mit einer Hand gegen den Monitor, beim Schachspiel mit seinem Vater stieß er eine der Figuren von dem Brett. Im EEG fand sich zum Zeitpunkt der Muskelzuckungen eine generalisierte Entladungsaktivität mit mehreren rasch aufeinander folgenden Spitzen und dann einer langsamen Welle („polyspike-wave“).

Der elektroklinische Befund mit morgendlichen einschießenden Myoklonien in den Armen und generalisierten Polyspike-waves im EEG führt zu der Diagnose einer juvenilen myoklonischen Epilepsie (JME). Diese wird nach dem Berliner Epileptologen Dieter Janz, der sich schon in den 1950er Jahren mit diesem Syndrom intensiv beschäftigt hat, auch Janz-Syndrom genannt. Führendes klinisches Zeichen der JME sind die Extremitäten-Myoklonien, mitunter kommt es auch zu tonisch-klonisch generalisierten Anfällen. Die JME gehört zu den idiopathisch generalisierten Epilepsien (IGE), man geht ursächlich von einer genetischen Veränderung aus. Mitunter findet sich auch bei Familienmitgliedern ersten Grades eine IGE, die Mutter des Patienten litt an einer Epilepsie mit Aufwach-Grand Mal.

Therapie der Wahl bei IGE ist Valproinsäure. Wir haben dieses Antiepileptikum bei dem Patienten zunächst in einer niedrigen Dosis von 600 mg täglich eingesetzt. Zumindest in der ersten Woche unter Valproinsäure traten keine Myoklonien mehr auf.

In den vergangenen Jahrzehnten war man davon ausgegangen, dass die JME lebenslang antiepileptisch behandelt werden muss und dass ein Absetzen des Antiepiletikums fast immer mit einem Wiederauftreten der Anfälle verbunden ist. In den letzten Jahren haben allerdings fünf Langzeit-Studien gezeigt, dass die Prognose der JME deutlich besser ist als bisher angenommen. Bei vielen Patienten ist es jenseits der 4. Lebensdekade auch nach Absetzen der Antiepileptika nicht mehr zu epileptischen Anfällen gekommen.

Ein 28-jähriger Patient leidet seit 5 Jahren an einer Epilepsie mit Grand Mal. Die Anfälle treten aus dem Wachen, aber ohne zeitliche Bindung an den Schlaf-Wach-Rhythmus auf. Auch auf konkretes Nachfragen hin gibt es keinen Anhalt für eine fokale Einleitung der Anfälle. Routine und Schlafentzug-EEG sind ebenso wie ein cerebrales MRT ohne pathologischen Befund. Wir ordneten die Erkrankung einer unklassifizierten Epilepsie zu, da es keine Hinweise auf eine fokale oder generalisierte Genese gab. 20% aller Epilepsien sind unklassifiziert, auch wenn in manchen Fällen der weitere klinische Verlauf die syndromatische Diagnose einer fokalen oder generalisierten Epilepsie erlaubt.

Der aktuelle Patient berichtete 4-5 Grand Mal jährlich. Trotz dieser hohen Frequenz schwerer Anfälle lehnte der Patient – von Beginn seiner Erkrankung an – die Einnahme von Antiepileptika ab. Als Grund gab er eine generell ablehnende Haltung gegenüber der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten an.

Wir haben den Patienten darüber aufgeklärt, dass das Hauptproblem bei Epilepsien darin besteht, dass die Anfälle in der Regel urplötzlich und häufig ohne jegliche Vorwarnung auftreten. Bei Grand Mal kann dies zu unkontrollierten Stürzen mit erheblichen Verletzungen führen. Wir mussten den Patienten weiterhin darüber aufklären, dass Patienten während oder kurz nach einem Grand Mal sterben können. Dieser plötzliche unerwartete Tod bei Patienten mit Epilepsie (englisch: SUDEP = sudden unexpected death in epilepsy patients) ist wahrscheinlich auf anfallsbedingte Herzrhythmusstörungen zurückzuführen. Die wirksamste Maßnahme zur Verhinderung von SUDEP ist die Verhinderung von Grand Mal. Trotz unserer ausführlichen Aufklärungen lehnte der Patient die Einnahme von Antiepileptika weiterhin ab.

Non-Adhärenz, d.h. das Nicht-Befolgen von ärztlichen Empfehlungen, stellt gerade bei der Pharmakotherapie chronischer Erkrankungen eine große Herausforderung dar. Der aktuelle Patient hat seine Non-Adhärenz zumindest offen kommuniziert; häufig weiß der Arzt gar nicht, dass der Patient seine Antiepileptika nur unregelmäßig oder auch gar nicht einnimmt.

Eine 35-jährige Patientin leidet seit 10 Jahren unter Anfällen. Die Krankheitsgeschichte begann i.R. einer schmerzlichen Trennungssituation. Die Anfälle sind durch ein „Zucken“ oder „Schlagen“ aller Extremitäten gekennzeichnet, zusätzlich treten markante Rumpf- und Beckenbewegungen auf. Diese Anfälle sind vor 10 Jahren als eindeutig epileptisch eingeschätzt worden, die Patientin nimmt seitdem Antiepileptika (zunächst Carbamazepin, jetzt Levetiracetam in einer Dosis von 2.000 mg täglich). Die Häufigkeit der Anfälle beträgt etwa 2-3 pro Monat, sie wurde durch die Antiepileptika bisher in keinster Weise beeinflusst. Die Patientin selbst berichtet, dass die Anfälle fast ausschließlich in Stresssituationen (z.B. bei Streit in der Familie) auftreten würden.

Die Patientin wurde nun im Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg von ihrem ambulant behandelnden Neurologen zur erneuten Einschätzung der Anfälle bei vermeintlicher Pharmakoresistenz eingewiesen.

Allein die Anamnese – Beginn in Trennungssituation, Auftreten von Anfällen bei Stress – gibt Hinweise darauf, dass es sich hier nicht um epileptische, sondern um psychogene nicht-epileptische Anfälle handeln könnte. Typisch ist die Situationsbezogenheit der Anfälle, im Gegensatz dazu treten epileptische Anfälle i.R. von Epilepsien in der Regel unprovoziert und nicht vorhersehbar auf. In einer Routine-EEG-Untersuchung trat dann ein Anfall auf. Semiologisch waren die Augen geschlossen, es traten undulierend irreguläre motorische Zeichen auf. Im EEG zeigten sich lediglich Bewegungsartefakte, keine Hinweise auf ein Anfallsmuster.

Mit der Patientin wurde unsere diagnostische Einschätzung besprochen, das Levetiracetam wurde schrittweise abgesetzt. Parallel wurden psychotherapeutische Gespräche begonnen. Die Patientin sollte lernen, mit Stresssituationen anders umzugehen, als psychogene nicht-epileptische Anfälle zuzulassen.

Studien haben gezeigt, dass psychogene nicht-epileptische Anfälle erst nach mittleren 7 Jahren sicher als solche diagnostiziert werden. Zuvor nehmen die Patienten – unter der ärztlichen Annahme einer Epilepsie – oft mehrere Antiepileptika ein.

Eine 43-jährige Patientin leidet seit 25 Jahren an einer fokalen Epilepsie mit automotorischen (= komplex fokalen) Anfällen (Frequenz, 4-5 je Monat). Diese Anfälle sind durch eine Bewusstseinsstörung und orale Automatismen gekennzeichnet. Den Anfällen geht ein Druckgefühl in der Magengegend, welches nach oben steigt, voraus (epigastrische Aura). Die Patientin hat schon acht unterschiedliche Antiepileptika eingenommen, die das regelmäßige Auftreten der Anfälle jedoch nicht verhindern konnten. Im cerebralen MRT findet sich eine Hippocampus-Sklerose rechts, welche als ursächlich für die Epilepsie angenommen werden kann. In der prä-chirurgischen Video-EEG-Untersuchung konnten mehrere habituelle Anfälle mit einem zur Hipppocampus-Sklerose passenden rechts temporo-anterioren Beginn aufgezeichnet werden. Insofern gab es eine Kongruenz aller erhobenen Befunde, wir empfahlen der Patientin eine Temporallappen-Teilresektion rechts.

Die Patientin konnte sich jedoch trotz der eindeutigen Befundlage und trotz der Perspektive einer großen Chance auf postoperative Anfallsfreiheit nicht für die Operation entscheiden. Die Gründe für die Ablehnung blieben diffus.

In einer Untersuchung der Universitätsklinik Bonn zu den Langzeit-Ergebnissen nach Epilepsiechirurgie wurde aufgezeigt, dass in den vergangenen 20 Jahren die Quote der Ablehnung indizierter epilepsiechirurgischer Eingriffe stetig zugenommen hat und nun bei bis zu 20% liegt (Bien et al. 2013 JNNP).

Wir sehen es jedoch als unsere Pflicht an, Patienten in einer solchen Situation in deutlichen Gesprächen darüber aufzuklären, welche Verletzungs- und ggf. noch schlimmere Gefahren von wiederholt auftretenden Anfällen ausgehen können. Diese Risiken überwiegen bei weitem die Risiken des operativen Eingriffs.

Eine 39-jährige Patientin mit seit der Kindheit bekannter Epilepsie wird wegen einer seit Wochen bestehenden starken Müdigkeit, Desorientierheit und eingeschränkter Sprachproduktion im Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg aufgenommen. Bei der Patientin besteht eine Lernbehinderung, sie wohnt in einer betreuten Wohngemeinschaft. Die Patientin leidet an einer fokalen Epilepsie, alle 2-3 Monate tritt ein automotorischer (= komplex fokaler) epileptischer Anfall mit Bewusstseinsstörung und oralen Automatismen auf. Die Ursache der Epilepsie ist unklar, ein cerebrales MRT aus dem Jahr 2011 war unauffällig.

Die Patientin hat in den vergangenen Wochen wohl überwiegend geschlafen, sie konnte kaum noch laufen und wurde auf einer Trage liegend bei uns aufgenommen. Die antiepileptische Medikation bestand aus fünf verschiedenen Substanzen: Primidon, Carbamazepin, Zonisamid, Clobazam und Valproinsäure. Die Serumkonzentration von Valproinsäure war bei Aufnahme mit 130 mg/l deutlich erhöht (empfohlener Richtwert: 40 – 100 mg/l).

Das Ziel unserer Behandlung bestand darin, nebenwirkungsreiche Antiepileptika abzusetzen, ohne dass es zu einer – auch kurzfristig erkennbaren – Anfallszunahme kommt. Schritt für Schritt wurden die Substanzen Zonisamid, Clobazam und Valproinsäure reduziert und letztlich abgesetzt. Da die Patientin Primidon schon seit über 30 Jahren einnimmt, wollten wir wegen des starken Gewöhnungseffekts diese – auch potenziell zur Müdigkeit führende – Substanz nicht absetzen.

Während des vierwöchigen stationären Aufenthalts klarte die Patientin zunehmend auf, mit Hilfe der Physiotherapie konnte sie wieder selbstständig gehen, sie sprach wieder spontan. Es kam nicht zu vermehrten epileptischen Anfällen.

Das Beispiel dieser Patientin zeigt sehr eindrücklich, dass eine regelmäßige Überprüfung der Antiepileptika durch epileptologisch geschulte Fachleute dringend notwendig ist. Alle Beschwerden der Patientin – Müdigkeit sowie Unfähigkeit zu gehen und zu sprechen – waren auf die Überdosierung mit fünf Antiepileptika zurückzuführen. In der Regel ist auch bei schwer behandelbaren Epilepsien die Gabe von zwei Antiepileptika ausreichend. Schon die dritte Substanz hat oft keinen zusätzlichen Nutzen, erhöht jedoch das Risiko für Unverträglichkeiten deutlich.

Ein 24-jähriger Patient berichtet, dass er seit mehr als 2 Jahren mit zunehmender Häufigkeit Déjà vu-Ereignisse erlebt. In den letzten Wochen traten diese täglich auf. Begleitet sind die Déjà vus von Geruchswahrnehmungen. Die Partnerin berichtet auf Nachfrage hin, dass den Déjà vus eine Episode mit starrem Blick, Abwesenheit und leichten Lippenbewegungen folgen würde. Der Patient erinnert diese Abwesenheiten nicht. Nun war es zu einem ersten tonisch-klonisch generalisierten Anfall gekommen, der den Patienten ins Krankenhaus und somit erstmals zu klinischer und apparativer Diagnostik führte. Die Episoden mit Déjà vu wurden als epileptische Auren erkannt, aus denen sich automotorische (= komplex-fokale) Anfälle entwickelten. In einem Kernspintomogramm des Kopfes wurde ein gutartiger Tumor im linken mesialen Temporallappen festgestellt, dieser ist die Ursache der fokalen Epilepsie.

Wir begannen eine antiepileptische Therapie mit Levetiracetam, aber auch unter hohen Dosen besserte sich die Anfallsfrequenz nur geringfügig. Es wurde ergänzend Lacosamid dazugegeben, der Patient befindet sich noch in der Aufdosierungsphase.

Ein Déjà vu (französisch für „schon mal gesehen“) ist das – oft irritierende – Gefühl, eine neue Situation schon einmal erlebt oder gesehen, nicht aber geträumt zu haben. Déjà vus treten bei gesunden Menschen vereinzelt spontan auf, die genauen neurobiologischen Mechanismen sind unklar. Häufig auftretende Déjà vues – erst recht wie im vorliegenden Fall – sind dagegen Ausdruck eines Krankheitsprozesses im Temporallappen. Da bei unserem Patienten den Episoden mit Déjà vu eindeutige automotorische Anfälle folgen, sind auch die Déjà vus als Teil des epileptischen Anfalls einzuschätzen. Diese Episoden werden nur von den Patienten selbst, nicht aber von Anderen bemerkt, dies bezeichnet man als epileptische Aura.

Der gutartige Tumor im linken Hippocampus als Ursache der Epilepsie muss aus neurochirurgischer Sicht zurzeit nicht operativ entfernt werden. Wenn der Patient allerdings auch mit einem zweiten Antiepileptikum nicht anfallsfrei und somit pharmakoresistent wird, müssen Tumor und weitere Strukturen des Temporallappens aus epileptologischer Sicht entfernt werden. Das therapeutische Ziel stellt die komplette Anfallsfreiheit dar.

Eine 31-jährige Patientin erleidet seit etwa 15 Jahren einmal jährlich einen tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall. Sie erinnert nicht, ob diesen Anfällen subjektive oder objektivierbare Veränderungen vorausgehen, die auf einen fokalen Beginn hindeuten könnten. Unabhängig von den „großen“ Anfällen treten schon seit der Kindheit kurze Abwesenheiten auf, die die Patientin aber nicht näher beschreiben kann.

Im Routine-EEG finden sich wiederholt generalisierte Spike-wave-Komplexe mit 3/s, bei der Leseprobe stockt die Patientin während der Entladungen. Dies zeigt ein klinisches Korrelat der Entladungsmuster an. Während einer EEG-Langzeit-Untersuchung treten zwei semiologisch unterschiedliche Anfälle auf. Zum einen tritt ein typischer tonisch-klonisch generalisierter Anfall ohne fokale Einleitung mit initialem 3/s Spike-wave-Muster auf. Zum anderen manifestiert sich einer der „kleinen“ Anfälle mit Abwesenheit. Hier zeigt sich ein Anfallsmuster mit rhythmischer Theta-Aktivität, welches auf links temporale Strukturen begrenzt ist. In einem cranialen 3-Tesla MRT stellt sich links temporo-basal in der FLAIR-Sequenz eine hyperintense Struktur dar, die a.e. einem gutartigen Tumor entspricht.

In der hier skizzierten Konstellation gehen wir davon aus, dass bei der Patientin sowohl eine fokale als auch eine idiopathisch generalisierte Epilepsie besteht. Letztere manifestiert sich sehr wahrscheinlich ausschließlich in den Grand Mal-Anfällen, die leichten kognitiven Einbußen während der generalisierten Entladungsmuster scheint die Patientin nicht zu merken. Die kurzen Anfälle, die rein anamnestisch auch sehr gut Absencen entsprechen könnten, sind jedoch klinischer Ausdruck des links temporalen Anfallsmusters, es handelt sich hierbei um blande automotorische (= komplex fokale) Anfälle i.R. einer fokalen Epilepsie. Diese ist ursächlich auf die links temporo-basale Läsion zurückzuführen.

Die Patientin war bei Vorstellung im Epilepsie-Zentrum mit Valproinsäure in höherer Dosis behandelt. Wir ergänzten die Medikation um Levetiracetam. Sollten unter dieser Kombinationstherapie weiterhin automotorische Anfälle auftreten, kann perspektivisch – trotz der parallel bestehenden idiopathisch generalisierten Epilepsie – ein epilepsiechirurgischer Eingriff diskutiert werden.

Ein 53-jähriger Patient wird mit der Frage stationär aufgenommen, ob seine seit vielen Jahren plötzlich auftretenden Verhaltensänderungen mit Bewegungen des rechten Arms epileptische Anfälle sind. Der Patient stammt aus Süd-Ost-Europa, es besteht eine Sprachbarriere, die eine Anamneseerhebung deutlich einschränkt. Während einer Video-EEG-Langzeit-Untersuchung trat ein solches Ereignis auf. Nach kurzem Innehalten verkrampft sich die rechte Hand, um dann in ein hochfrequentes Schütteln überzugehen. Im Verlauf erfasst dieses Bewegungsmuster auch die linke obere Extremität. Die Augen sind während dieser 2-minütigen Episode zusammengekniffen. Semiologisch entspricht dieses Ereignis einem psychogenen nicht-epileptischen Anfall, das EEG zeigt kein korrespondierendes Anfallsmuster.

Der Sohn des Patienten bestätigt nach Demonstration des Videos, dass die Anfälle seines Vaters weitgehend denen im Video entsprechen.

Sieben Jahre zuvor hatte sich der Patient im Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg schon einmal einer Video-EEG-Langzeituntersuchung unterzogen. Hier konnte ein Anfall aufgezeichnet werden, bei dem der Patient innehält, es kommt zu automatisierten wenig ausgeprägten Bewegungen der rechten Hand, die Augen sind initial geöffnet und sind im weiteren Verlauf des Anfalls geschlossen. Die Dauer dieses blanden automotorischen Anfalls beträgt gut eine Minute. Im EEG zeigt sich korrespondierend ein Anfallsmuster rechts temporo-anterior.

Im direkten Vergleich der beiden Video-Sequenzen lassen sich der psychogene nicht-epileptische und der automotorische epileptische Anfall – trotz Ähnlichkeiten –eindeutig differenzieren. Eigenanamnestisch ist dies aufgrund der Sprachbarriere nicht möglich. Fremdanamnestisch scheinen aktuell psychogene nicht-epileptische Anfälle aufzutreten. Ob automotorische epileptische Anfälle ausschließlich vor einigen Jahren oder zusätzlich zu den psychogenen Anfällen weiterhin auftreten, ließ sich letztlich nicht klären.

Die pharmakologische antiepileptische Therapie mit Lamotrigin wurde unverändert fortgesetzt. Wir haben eine Verhaltenstherapie bei einem muttersprachlichen Psychotherapeuten empfohlen.

Ein 72-jähriger Patient hält beim Kaffeetrinken plötzlich inne, er kann die Gabel mit dem Stückchen Kuchen nicht mehr zum Mund führen. Seine Frau beschreibt einen starren Blick und eine Abwesenheit für 1-2 min. Motorische Zeichen bestehen kaum. Nach Ende der Episode ist der Patient rasch reorientiert. Daher misst die Ehefrau dieser kurzen Verhaltensänderung nicht viel Bedeutung bei. In den folgenden Wochen treten diese Episoden jedoch gehäuft auf – beim Fernsehen schauen, beim Essen und bei der Unterhaltung. Interessanterweise fallen diese Episoden nur der Ehefrau auf, der Patient selbst bemerkt und erinnert diese nicht. Nach einigen Umwegen stellt sich der Patient letztlich in der Ambulanz des Epilepsie-Zentrums Berlin-Brandenburg vor. Auf der Basis der guten Anfallsbeobachtung und –beschreibung durch die Ehefrau werden die Episoden blanden automotorischen (= komplex fokalen) epileptischen Anfälle zugeordnet. Das EEG zeigt beidseits temporal leichte Verlangsamungen, aber keine epilepsietypischen Potenziale. Im cranialen MRT finden sich mäßiggradige, zum Teil cortexnahe mikroangiopathische Veränderungen. Bei Vorliegen der Diagnose einer fokalen Epilepsie wird eine Therapie mit Lamotrigin begonnen. Drei Monate später berichtet die Ehefrau, dass keine Anfälle mehr aufgetreten seien.

Dieser Fall illustriert eine typische Altersepilepsie. Die automotorischen Anfälle sind eher diskret, es gibt wenig motorische Zeichen. Der Patient bemerkt seine Anfälle nicht, die Amnesie ist Teil des Anfalls. Wenn die korrekte Diagnose gestellt ist, führt eine antiepileptische Medikation oft rasch zu kompletter Anfallsfreiheit. Diese Charakteristika zu kennen, ist wichtig, da die Wahrscheinlichkeit neu aufgetretener Epilepsien mit zunehmendem Alter immer größer wird.

Ein knapp 4-jähriger Junge beklagt sich bei seinen Eltern nach jedem Baden oder Duschen mit den Worten „Es brennt, Mama es tut weh!“. Die Eltern beschreiben bei ihrem Sohn im weiteren Verlauf dieser Episoden einen leeren bzw. ängstlichen Blick, eine Kopfwendung nach rechts und eine Beugung des rechten Arms. Die Beine verlören an Kraft und er sacke zusammen. Die Augen sind währenddessen offen, der Junge könne aber nicht sprechen, die Dauer betrage 1 min. Danach sei er müde und schlafe rasch ein. Dieser Ablauf wurde von den Eltern auch in einem Home-Video dokumentiert.

Variationen des Badens und Duschens insbesondere hinsichtlich der Wassertemperatur hatten keinen Einfluss auf das Auftreten dieser Ereignisse.

Wir führten bei dem Patienten eine Video-EEG-Untersuchung unter den realen Bedingungen des Badens durch. Auch hier trat die von den Eltern beschriebene Episode auf. Es zeigte sich im EEG ein Anfallsmuster links centro-temporal, welches sich auf die ganze linke Hemisphäre ausbreitete. Korrespondierend trat die von Eltern beschriebene klinische Symptomatik auf. Die zeitliche Abfolge ließ dann erkennen, dass der Anfallsbeginn nicht mit dem Ende des Badens korrelierte, sondern mit dem heftigen Abtrocknen („Abrubbeln“) des Jungen durch den Vater. Klinisch handelte es sich hier um eine somato-sensible Aura (Schmerzen), die in einen automotorischen Anfall übergeht.

Wir konnten so die Diagnose einer „Rub epilepsy“ stellen, die eine seltene Form der Reflexepilepsien darstellt. Triggerzone war der rechte Arm oder der rechtsseitige Thorax. Das cMRT war unauffällig. Wir verzichteten zunächst auf eine antiepileptische Therapie und empfahlen den Eltern ein weniger beherztes Abtrocknen ihres Sohnes. Seitdem sind bei dem Jungen keine Anfälle nach dem Baden mehr aufgetreten.

Eine 49-jährige Patientin leidet seit der Pubertät an einer fokalen Epilepsie mit acht bis neun automotorischen (= komplex-fokalen) Anfällen pro Monat. Im cMRT zeigt sich eine Atrophie mesio-temporaler und temporo-lateraler Strukturen rechts. Bei der Patientin besteht eine leichte Entwicklungsverzögerung, sie wohnt noch bei den Eltern. Obwohl schon seit vielen Jahren eine Pharmakoresistenz gegenüber einer Reihe von Antiepileptika besteht, konnten sich die Patientin und ihr familiäres Umfeld lange Zeit nicht für eine prächirurgische Evaluation entscheiden.

Im Herbst 2012 erfolgte dann nach vielen Gesprächen doch ein erstes Video-EEG-Monitoring. Hier konnten fünf der bekannten Anfälle aufgezeichnet werden. Überraschenderweise manifestierte sich das EEG-Anfallsmuster zunächst links temporal und dann mit einer Verzögerung von ca. 10 sec. auch rechts temporal. Es bestand also keine Kongruenz zwischen MRT-Pathologie und dem initialen iktalen EEG-Befund. Wir stellten die Hypothese auf, dass es sich hier um eine falsche EEG-Lateralisation handelt. Der Anfall beginnt zwar rechts temporo-mesial, die epileptische Aktivität breitet sich dann aber zunächst rasch auf die linke Seite unter Einbeziehung temporo-lateraler Strukturen aus. Mit zeitlicher Verzögerung ist das Anfallsmuster dann auch auf der Seite des Anfallsbeginns (rechts) in temporo-lateralen Strukturen sichtbar.

Zur Bestätigung dieser Hypothese wurden daher in einem nächsten Schritt mit sog. semiinvasiven Elektroden bilateral aus dem Foramen ovale, das in direkter Nachbarschaft zu temporo-mesialen Strukturen liegt, Anfälle aufgezeichnet. Hier konnten wir dann beweisen, dass die Anfälle – wie angenommen – tatsächlich rechts beginnen und sich zunächst nach links ausbreiten und in einem zweiten Schritt erst weitere Teile des rechten Temporallappens erfassen. Somit konnte nun eine Übereinstimmung von bildgebendem Befund und iktalem EEG aufgezeigt werden. Wir empfahlen der Patientin und ihrer Familie eine operative Entfernung von Teilen des rechten Temporallappens, dem stimmten sie zu.

Seit der Operation Anfang 2013 ist die Patientin frei von epileptischen Anfällen. Im Nachhinein – so die Patientin – hätte sie der prächirurgischen Diagnostik und einer eventuellen Operation schon viel früher zustimmen sollen.

Bei einem 14-jährigen ansonsten gesunden und altersgerecht entwickelten Jungen zeigen sich im EEG wiederholte generalisierte 3 Hz Spike-Waves für die Dauer von jeweils 3 bis 4 Sekunden. Es sollte geklärt werden, ob es sich hierbei um interiktale Aktivität ohne klinisches Korrelat oder um iktale Entladungen mit klinischen Auffälligkeiten i. S. von Absencen handelt. Rein auf der Basis der ananmestischen Angaben des Patienten selbst und seiner Eltern ließ nicht erschließen, ob es zu paroxysmalen kurzen Abwesenheiten kommt. Die Frage ist von hoher klinischer Relevanz, da im Falle von Absencen eine Indikation für eine antiepileptische Behandlung, im Falle von rein interiktaler Aktivität eine solche jedoch nicht besteht.

Während einer 24-h Video-EEG-Langzeituntersuchung traten die oben beschriebenen EEG-Muster etwa 1-2 mal pro Stunde auf. Diese waren nicht mit einer erkennbaren Änderung des Verhaltens assoziiert. Auch die Aufforderung, während dieser EEG-Veränderungen auf einen angebotenen Ton mit dem Drücken eines Knopfes zu reagieren, befolgte der junge Patient adäquat. Wir führten daraufhin eine Leseprobe durch. Der Patient las laut aus einem Jugendroman vor. Beim erneuten Auftreten der 3 Hz Spike-Waves kam er dann während des Lesens in Stocken, er konnte nicht weiterlesen. Auch nach Ende der EEG-Entladungen konnte er nicht die Zeile auf der Buchseite wiederfinden, bei der er aufgehört hatte zu lesen.

Somit konnte die Leseprobe nachweisen, dass die generalisierten EEG-Entladungen ein klinisches Korrelat in Form einer leichten Bewusstseinsstörung haben. Wir stellten daraufhin die Diagnose einer Absencen-Epilepsie und begannen eine antiepileptische Behandlung mit Ethosuximid. In einer paar Wochen wiederholen wir die Leseprobe unter EEG-Ableitung, um den Erfolg der Therapie einschätzen zu können.

Eine 42-jährige Patientin berichtete bei Erstvorstellung in unserer Epilepsie-Ambulanz, dass ihr seit mehr als 5 Jahren ein plötzlich auftretendes Druckgefühl in der Magengegend auffalle. Das Gefühl sei immer das gleiche, die Dauer betrage zwischen 10 und 20 Sekunden, die Häufigkeit gibt sie mit 2-3 pro Woche an. Unsere Nachfrage, ob sich an dieses Druckgefühl noch eine Abwesenheit anschließe oder jemals angeschlossen habe, verneinte die Patientin vehement. Insgesamt verbringe sie viel Zeit alleine, sodass wir auch keine weiteren Angaben zu diesen Episoden von Dritten einholen konnten. Sie habe bisher noch keinen Arzt wegen dieser Ereignisse aufgesucht, da sie ihnen keine Bedeutung und keinen Krankeitswert beigemessen habe.

Zur weiteren diagnostischen Zuordnung wurde die Patientin dann kurzfristig in das Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg aufgenommen. Während einer dreitägigen Video-EEG-Langzeit-Untersuchung traten dann gleich zwei dieser Episoden mit der bekannten subjektiven Symptomatik auf. Klinisch fiel bei der Testung durch die MTA dann auf, dass die Patientin bei beiden Ereignissen für 30-40 Sekunden einfache Aufforderungen nicht befolgt hat. Im Nachhinein konnte die Patientin sich nicht daran erinnern, dass jenseits des Gefühls in der Magengegend eine Abwesenheit bestand. Korrelierend zu den klinischen Veränderungen zeigte sich im EEG bei beiden Ereignissen ein eindeutiges Anfallsmuster im Bereich des rechten Schläfenlappens. Im cerebralen MRT zeigten sich keine Auffälligkeiten.

Wir konnten die Patientin darüber aufklären, dass bei ihr – seit mehr als 5 Jahren –eine fokale Epilepsie besteht. Jenseits der epigastrischen Auren war die Semiologie unter Propagation der epileptischen Aktivität durch einen automotorischen Anfall gekennzeichnet. Mehr als die Hälfte der Patienten mit automotorischen Anfällen aus dem Wachen erkennt und erinnert diese Anfälle nicht. Es ist davon auszugehen, dass die Patientin immer oder zumindest häufig im Anschluss an die Auren automotrische Anfälle hat, die sie aber aufgrund der anfallsbedingten Amnesie weder bemerkt noch erinnert.

Wir haben eine antiepileptische Therapie mit Levetiracetam begonnen, ein ambulanter Wiedervorstellungstermin zur klinischen Kontrolle steht noch aus.

Ein 57-jähriger Patient berichtet, dass er beim Lachen das Bewusstsein verliere und zu Boden falle. Er hat sich dabei schon mal das Nasenbein gebrochen. Die Symptomatik bestehe schon seit über 25 Jahren. Je intensiver er lache, desto wahrscheinlicher sei eine nachfolgende Bewusstlosigkeit. In den letzten 12 Monaten sei dies immerhin fünfmal passiert. Nach Angaben der Angehörigen halte die Bewusstlosigkeit knapp eine Minute an, motorische Zeichen träten nicht auf, der Patient sei rasch wieder reorientiert.

Auf der Basis dieser Angaben sprechen die Ereignisse für Synkopen (Ohnmachtsanfälle), erwartungsgemäß waren eine 24 h-Video-EEG-Untersuchung und ein Kopf-MRT ohne Auffälligkeiten. Während einer Ultraschalluntersuchung des Herzens kam es bei manuellem Druck auf den Carotissinus links (in der Halsschlagader) zu einer deutlichen Bradycardie (Abnahme der Herzfrequenz), dem Patient wurde dabei sehr schwindelig.

Diagnostisch besteht bei dem Patienten also ein hypersensitiver Carotissinus („Carotissinus-Syndrom“), bei kurzfristigem Anstieg des Blutdrucks – wie beim Lachen – reagiert dieser über und führt zu Bradycardien mit nachfolgender Synkope. Um den Patienten vor weiteren Synkopen und potenziellen Verletzungen zu schützen, wird bei ihm nun ein Herzschrittmacher implantiert.

Eine 57-jährige aus Russland stammende und nur eingeschränkt deutsch sprechende Patientin wurde mit der Frage stationär aufgenommen, ob die von ihr angegebenen paroxysmalen Beschwerden epileptischen Anfällen zuzuordnen sind oder nicht. Die Patientin berichtete von einer Übelkeit und gelegentlichen Kopfschmerzen, diese träten fast täglich auf. Detaillierte Angaben ließen sich nicht erheben, auch die Dauer der wohl plötzlich auftretenden Symptome ließ sich nicht klären. Fremdanamnestisch ließen sich semiologisch keine eindeutigen epileptischen Anfälle heraushören. Die Patientin war bei Aufnahme mit 50 mg Topiramat und 100 mg Lacosamid behandelt. Höhere Dosierungen wurden nicht vertragen, das Absetzen einer der beiden Substanzen führte zu mehr Anfällen.

Wir führten eine 24 h-Video-EEG-Langzeit-Untersuchung durch, währenddessen traten keine Anfälle auf, auch das interiktale EEG war komplett unauffällig. Im cerebralen MRT fanden sich allenfalls leichte mikroangiopathische Marklagerveränderungen.

Wir entschlossen uns daher, die beiden niedrig dosierten Antiepileptika abzusetzen. Unter Beobachtung im Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg für ein paar weitere Tage traten keine der bekannten paroxysmalen Beschwerden auf.

Am Abend des Entlassungstages beobachtete die Tochter der Patientin während des Essens einen Anfall mit starrem Blick, schmatzenden und kauenden Bewegungen und fehlender Reaktion auf Ansprache, die Dauer betrug ca. 1 min. Die Patientin konnte sich an diesen Anfall nicht erinnern. Sie berichtete lediglich über Kopfschmerzen. Wir konnten diesen Anfall aufgrund einer erstmalig belastbaren fremdanamnestischen Beschreibung einer epileptischen Genese zuordnen, es handelt sich um einen automotorischen Anfall. Wir begannen eine antiepileptische Therapie mit Lamotrigin.

In Zusammenschau gehen wir weiterhin davon aus, dass die Mehrzahl der von der Patientin berichteten paroxysmalen Beschwerden nicht epileptischen Anfällen entspricht. Dennoch treten darüber hinaus mitunter doch eindeutig epileptische Anfälle auf. Diese scheinen mit einem postiktalen Kopfschmerz verbunden zu sein, dieser findet sich bei über einem Drittel aller Patienten mit Epilepsie.

Eine 41-jährige Patientin leidet seit mehr als 15 Jahren unter einer medikamentös schwer behandelbaren Epilepsie. Die Anfälle erlebt sie als eine Abwesenheit, der Ehemann beschreibt einen starren Blick, eine fehlende Reaktion auf Ansprache und ein Kauen und Schmatzen; die Anfälle dauern jeweils etwa 1 Minute. Die Häufigkeit der Anfälle beträgt 4-5 pro Monat. Die Patientin hat in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Antiepileptika eingenommen, zuletzt war sie mit drei verschiedenen Substanzen zeitgleich behandelt.

In einer Video-EEG-Langzeituntersuchung über mehrere Tage konnte in einem ersten Schritt zwar ein Anfallsbeginn im rechten Schläfenlappen ausgemacht werden, die Region des Anfallsursprungs schien jedoch ein ausgeprägteres Ausmaß zu haben. In der Bildgebung des Gehirns (Kernspintomogramm) konnten keine Auffälligkeiten und somit aber auch keine eingrenzenden Hinweise auf einen potenziellen Anfallsursprung gefunden werden. In einer zweiten Untersuchung wurde dann ein EEG direkt von der Gehirnoberfläche abgeleitet. Durch diese Untersuchung konnte die Region des Anfallsbeginns dann genauer definiert werden. Bei der Patientin wurde daraufhin ein Teil des rechtsseitigen Schläfenlappens operativ entfernt.

Diese Operation fand vor ca. 1 Jahr statt. Seitdem sind bei der Patientin keinerlei epileptische Anfälle mehr aufgetreten. Die Patientin berichtet bei jedem ihrer Besuche in unserer Epilepsie-Ambulanz, dass sie sich „wie neu geboren“ fühle. Sie ist zurzeit noch mit zwei Antiepileptika behandelt, diese Kombinationstherapie wird zunächst für mindestens ein weiteres Jahr so fortgesetzt.

Eine 37-jährige Patientin leidet seit 1 Jahr unter plötzlich auftretenden Bewegungen für 2 min. Dauer aus dem Schlaf. Sie selbst kann sich nicht an den Ablauf dieser Episoden erinnern. Ihr Partner berichtet, dass es auf laute Geräusche – wie das Klingeln des Weckers oder den Lärm des Müllwagens – zu räkelnden und streckenden Bewegungen des Körpers komme, die Patientin reagiere währenddessen nicht auf seine Ansprache. Sie sei auch nach Ende dieser Episode für mehrere Minuten desorientiert, schlafe in der Regel wieder ein. Auswärts wurde eine Epilepsie diagnostiziert, eine Behandlung mit Levetiracetam wurde begonnen. Die Episoden traten aber weiterhin alle zwei Monate auf.

Im Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg wurde daraufhin eine Video-EEG-Langzeit-Untersuchung durchgeführt. Mit der Patientin war vorab vereinbart, dass während des Schlafs durch Lärm eine der bekannten Episoden provoziert wird. Mit einer Verzögerung von ca. 20 Sekunden nach lautem Schlagen auf einen Metallbehälter traten die schon von dem Partner beschriebenen Bewegungsmuster auf. Auffällig und diagnostisch wegweisend war aber nicht das EEG, sondern das zeitgleich abgeleitete EKG. Hier zeigte sich eine dramatische Herzrhythmusstörung mit einer ventrikulären Tachycardie und Torsades des Pointes. Diese Veränderungen stoppten erst nach 2 min., es zeigte sich dann wieder ein regulärer Sinusrhythmus.

Durch diese Untersuchung ließen sich die Bewegungen im Schlaf einer Synkope (Ohnmachtsanfall) zuordnen, ursächlich war die durch Lärm ausgelöste Herzrhythmusstörung. Eine genauere EKG-Diagnostik zeigte dann eine verlängerte QT-Zeit, molekulargenetisch ließ sich ein Long-QT-Syndrom Typ II nachweisen. Schon in den nächsten Tagen wurde bei der Patientin ein Herzschrittmacher implantiert, der die Patientin bei erneutem Auftreten der lebensbedrohlichen Rhythmusstörung schützen soll.