Fall des Monats
23-jähriger mit Anfall beim Wecken | 9-2015
>> zurück zur StartseiteEin 23-jähriger Mann hat in den letzen 4 Jahren drei wahrscheinlich tonisch-klonisch generalisierte epileptische Anfälle erlitten, es gab keine Hinweise auf eine fokale Einleitung. Eine eindeutige tageszeitliche Bindung bzw. Abhängigkeit vom Schlaf-Wach-Rhythmus ließ sich in der Anamnese nicht herausarbeiten. Mehrere Routine-EEGs und ein Kopf-MRT waren ohne pathologischen Befund. Der Patient war bisher nicht antiepileptisch behandelt. Somit sind wir auf der Basis des bisherigen Krankheitsverlaufs zunächst von einer unklassifizierten Epilepsie mit tonisch-klonisch generalisierten Anfällen ausgegangen.
Auch ein bei uns durchgeführtes Langzeit-Video-EEG war ohne pathologischen Befund. Um die diagnostische Sensitivität weiter zu erhöhen, führten wir einen Schlafentzug durch. Bei der Visite am nächsten Morgen trafen wir den Patienten zunächst schlafend an. Wir weckten ihn dann, und innerhalb weniger Minuten traten erste deutliche Myoklonien der oberen Extremitäten und des Rumpfes auf, die den im Bett sitzenden Patienten jeweils auf den Rücken warfen. Nach drei weiteren Minuten entwickelte sich aus diesen Myoklonien heraus ein tonisch-klonisch generalisierter Anfall mit entsprechendem Anfallsmuster im EEG. Somit konnte noch während der Visite die Diagnose eine idiopathisch generalisierten Epilepsie (Subsyndrom: juvenile myoklonische Epilepsie) gestellt werden, es wurde eine Therapie mit Valproat initiiert.
Dieser Fall zeigt einerseits, dass Schlafentzug einen Anfallstrigger bei idiopathisch generalisierten Epilepsien darstellt, andererseits ist bei diesem Epilepsiesyndrom das Wecken bzw. Erwachen eine zeitliche Prädilektion für die Manifestation eines Anfalls.