Fall des Monats
Empfehlung zur Epilepsiechirurgie | 1-2017
>> zurück zur StartseiteBei einem 25-jährigen Patienten besteht seit 8 Jahren eine fokale Epilepsie mit epigastrischen Auren (ein aufsteigendes Druckgefühl aus der Magengegend) und automotorischen Anfällen (Bewusstseinsstörung mit oralen Automatismen). Die automotorischen Anfälle treten etwa 4-5 mal monatlich auf. Das 1,5 T Kopf-MRT ist unauffällig. Der Patient ist aktuell mit 3.000 mg Levetiracetam und 500 mg Zonisamid behandelt. Zuvor war bei ihm auch Lamotrigin eingesetzt worden, welches aber wegen eines Exanthems bei einer Dosis von 50 mg wieder abgesetzt werden musste. Zusammengefasst besteht bei dem Patienten eine pharmakoresistente fokale Epilepsie.
Der nächste Behandlungsschritt wäre eine umfassende Evaluation hinsichtlich der Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs, bei dem der Anfallsfokus operativ entfernt wird. Diese Evaluation umfasst eine mehrtägige Video-EEG-Untersuchung mit dem Ziel, für den Patienten typische epileptische Anfälle aufzuzeichnen. Weiterhin erhält der Patient ein Hirn-MRT mit einer größeren Feldstärke von 3 T, dies erhöht die „Ausbeute“ an pathologischen Befunden um 10-15%. Zusätzlich wird eine neuropsychologische Untersuchung durchgeführt, die potenzielle Defizite in frontalen oder temporalen Strukturen erkennen und quantifizieren soll. Weitere Untersuchungen zur Lokalisation des Anfallsfokus werden in Abhängigkeit von den ersten Untersuchungsergebnissen durchgeführt.
Wir klärten den Patienten während eines Ambulanztermins ausführlich darüber auf, dass nach Versagen von zwei Antiepileptika in hoher Dosis nicht damit zu rechnen ist, dass bei ihm durch den Einsatz weiterer Antiepileptika Anfallsfreiheit zu erzielen ist. Wir klärten ihn ferner über die Chancen und Risiken der resektiven Epilepsiechirurgie auf, insgesamt profitiert die Mehrzahl der Patienten deutlich von diesem Eingriff.
Der Patient konnte sich jedoch eine Operation an seinem Gehirn partout nicht vorstellen und lehnte daher die ihm dringend empfohlene prächirurgische Diagnostik ab. Da wir diese Erfahrung leider sehr häufig machen, haben wir über einen Zeitraum von 6 Monaten systematisch erfasst, wie oft Patienten die notwendige prächirurgische Diagnostik ablehnen und was die maßgeblichen Gründe dafür sind. Ärztlicherseits wurde etwa jedem zweiten Patienten mit pharmakoresistenter fokaler Epilepsie die prächirurgische Diagnostik empfohlen, bei den anderen Patienten war die Anfallsfrequenz oder –stärke zu gering. Es lehnten aber 75% der Patienten, denen – wie im vorliegenden Fall – das prächirurgische Monitoring empfohlen worden war, dieses ab. Der Hauptgrund war eine diffuse Angst vor einer Operation am Gehirn. Diese Erhebung zeigt, dass gegenüber Patienten mit schwer behandelbarer Epilepsie frühzeitig und intensiv Aufklärungsarbeit über Epilepsiechirurgie geleistet werden muss.
Wir werden auch bei dem hier vorgestellten Patienten bei jedem Ambulanztermin erneut das Thema Epilepsiechirurgie ansprechen.