Fall des Monats
„Neue“ Anfälle nach Epilepsiechirurgie | 12-2015
>> zurück zur StartseiteEin 36-jähriger Patient hat seit dem 8. Lebensjahr eine fokale Epilepsie, nachdem er im Alter von 5 Jahren aus dem Fenster gestürzt war und sich dabei eine schwere Kopfverletzung zugezogen hatte. Im MRT des Schädels stellte sich eine große Läsion links im Schläfenlappen dar, welche bis ins Stirnhirn (Frontallappen) reichte. Die Anfälle waren semiologisch immer gleich, sie waren durch eine tonische Streckung, gefolgt von Kloni der rechten oberen Extremität charakterisiert. Die Frequenz betrug 4 bis 5 pro Monat. Nach einem invasiven Video-EEG-Langzeit-Monitoring mit subduralen Elektroden konnte der Anfallsfokus am hinteren Rand der Läsion ausgemacht werden, es erfolgte eine umschriebene Läsionektomie.
Sechs Monate nach der Resektion berichtete der Patient, dass es zweimal zu Anfällen gekommen sei; dies würde ihn sehr frustrieren, da die Hirnoperation ja nun „umsonst“ gewesen sei. Auf unsere konkrete Nachfrage hin stellten sich die Anfälle so dar, dass es nun zu motorischen Zeichen des gesamten Körpers komme, dies entspräche tonisch-klonisch generalisierten Anfällen. Da eine Zunahme der Anfallsschwere nach Epilepsiechirurgie zumindest ungewöhnlich klang, ließen wir uns telefonisch von einer Kollegin des Patienten einen der beiden Anfälle schildern. Demnach habe der Patient für 2 bis 3 Minuten auf dem Boden liegend mit Armen und Beinen „gezuckt“, die Symptomatik sei sehr fluktuierend gewesen, die Augen waren geschlossen, nach Ende der motorischen Zeichen war der Patient sofort reorientiert. Diese Schilderung sprach eindeutig für psychogene nicht-epileptische Anfälle.
Neu aufgetretene psychogene nicht-epileptische Anfälle nach erfolgreicher Epilepsiechirurgie wurden kürzlich in einer retrospektiven Studie bei 4% der Patienten beschrieben. Risikofaktoren waren weibliches Geschlecht und vorbestehende psychiatrische Erkrankungen.
Den o.g. Patienten klären wir sofort über unsere diagnostische Einschätzung auf und vermittelten innerhalb weniger Tage einen Vorstellungstermin in unserer Spezialambulanz für psychogene nicht-epileptische Anfälle, welche an der Charité Teil unseres Epilepsie-Zentrums ist.