Sexualität und Kinderwunsch

Sexualität

Manche Medikamente gegen die epileptschen Anfälle – insbesondere solche, die über die Leber verstoffwechselt werden – können einen ungünstigen Einfluss auf die Produktion beziehungsweise den Abbau der Sexualhormone (zum Beispiel Testosteron) haben und zu einer verminderten sexuellen Aktivität führen. Auch kann diese durch vermehrte Müdigkeit unter einer Medikation beeinträchtigt sein.

Auch die Epilepsie selbst kann zu Störungen der Sexualhormone und des komplexen hormonellen Regelkreises zwischen beteiligten Hirnarealen und Ovarien beziehungsweise Hoden führen und so sexuelle Funktionsstörungen verursachen. Der Verlust der sexuellen Lust (Libido) und Erektionsstörungen bei Männern mit Temporal- oder Frontallappenepilepsien sind so erklärbar.

Sollten bei Ihnen derartige Probleme auftreten, sollte selbstverständlich auch gründlich nach einer möglichen organischen Ursache jenseits der Epilepsie und Anfallssuppressiva gesucht werden. Dazu gehören eine urologische beziehunsweise gynäkologische Untersuchung, eine Hormondiagnostik und die Überlegung, ob eingenommene weitere Medikamente oder andere Substanzen (z.B. Drogen, Alkohol) ursächlich in Frage kommen. Gegebenenfalls sollte besprochen werden, ob eine medikamentöse Umstellung erfolgen sollte oder Medikamente eingesetzt werden können, die die Potenz fördern. Ebenso können begleitende Erkrankungen wie eine depressive Störung, ein wenig ausgeprägtes und wenig stabiles Selbstwertgefühl oder andere Probleme in der Partnerschaft den sexuellen Antrieb mindern und Hemmungen entstehen lassen.

Die Sorge, dass durch Sex Anfälle ausgelöst werden, ist in der Regel unbegründet. Wenn es dabei zu Anfällen kommt, treten diese meistens in der nachfolgenden Entspannungsphase auf.

Sollten bei Ihnen derartige Probleme auftreten, sprechen Sie unsere Ärztinnen oder Ärzte gerne an. Wir können dann gemeinsam schauen, wodurch diese möglicherweise verursacht werden und gegebenenfalls Abhilfe schaffen. Aber denken Sie daran: Wenn bei Menschen mit Epilepsie im Zusammenhang mit der Sexualität Probleme auftreten, können diese durch die Epilepsie oder die Medikamente bedingt sein. Es kann aber auch sein, dass diese vollkommen andere Ursachen haben, die in keinem Zusammenhang mit der Epilepsie stehen.

Verhütung

Eine geeignete, sichere und praktikable Verhütungsmethode ist eine wichtige Voraussetzung für entspannten Sex, sofern kein Kinderwunsch besteht. Auf der anderen Seite ist eine umfassende individuelle Beratung über mögliche Risiken einer Schwangerschaft notwendig, um unnötige Ängste zu vermeiden und eine persönlich passende Entscheidung bezüglich Kinderwunsch und Schwangerschaft treffen zu können.

Systemisch wirkende Hormonpräparate, die zur Verhütung einer Schwangerschaft eingesetzt werden (zum Beispiel die „Anti-Baby-Pille“, der hormonfreisetzende Vaginalring, das Hormonpflaster) können bei Frauen mit Epilepsie in ihrer Wirksamkeit herabgesetzt sein – insbesondere dann, wenn sie Medikamente gegen ihre Anfälle einnehmen, die über die Leber verstoffwechselt werden. Im Zweifelsfall sollte anders verhütet werden, zum Beispiel mit einem Kondom; als sichere Alternative gilt auch eine Hormonspirale, die lokal wirkt.

In jedem Fall sollte sich eine Frau mit Epilepsie, die Medikamente gegen ihre Anfälle einnimmt, gemeinsam mit ihrem Partner frauenärztlich und neurologisch beraten lassen und die zur Verfügung stehenden Methoden zur Schwangerschaftsverhütung abwägen. Gerne unterstützen Sie unsere Ärztinnen und Ärzte bei der Wahl einer für Sie passenden und sicheren Verhütungsmethode.

Schwangerschaft

In der Regel gibt es keinen Grund, warum eine Frau mit Epilepsie auf Kinder verzichten sollte. Dennoch sollten Sie, wenn Sie bereits schwanger sind oder die eine Schwangerschaft planen, folgendes beachten:

Die Medikamente gegen die Anfälle müssen auch während einer Schwangerschaft weiterhin regelmäßig eingenommen werden. Gegebenenfalls kann bei einer geplanten Schwangerschaft eine medikamentöse Umstellung erfolgen oder es können die Einnahmezeitpunkte einer bestehenden Medikation verändert werden. Damit eventuell notwendige Anpassungen vorgenommen werden können, sollte dies möglichst schon vor einer geplanten Schwangerschaft mit den behandelnden Ärzten oder Ärztinnen (Gynäkologie und Epileptologie) besprochen werden.

Bei einem Folsäuremangel ist das Risiko für Fehlbildungen beim Kind erhöht. Alle Frauen, die Medikamente gegen ihre Anfälle einnehmen und eine Schwangerschaft planen, sollten deshalb eine Tagesdosis von 5 mg Folsäure einnehmen.

Wichtig ist zudem eine sorgfältige gynäkologische Begleitung der Schwangerschaft. Mit der Ultraschallfeindiagnostik können schwerwiegende Fehlbildungen beim Kind frühzeitig erkannt werden. Über die Konsequenzen, die im Falle einer festgestellten Fehlbildung gezogen werden, sollte vor der Untersuchung Klarheit bestehen.

Die Spiegel der Medikamente gegen die Epilepsie sollten während der Schwangerschaft regelmäßig kontrolliert werden, da diese im Verlauf absinken können.

Bei den meisten Frauen ändert sich während der Schwangerschaft die Anfallshäufigkeit nicht. Der häufigste Grund für eine Zunahme der Anfälle wärend der Schwangerschaft ist eine unregelmäßige Tabletteneinnahme aufgrund der Angst der Mutter vor einer schädigenden Wirkung der Medikamente, die in der Regel unbegründet ist.

Das Risiko einzelner und kleiner Anfälle während der Schwangerschaft für das werdende Kind ist vermutlich gering. Anfallsserien, generalisiere tonisch-klonische Anfälle und anfallsbedingte Stürze können ein Risiko darstellen. Bei anfallsfreien Patientinnen besteht aufgrund der Epilepsie keine Indikation für einen Kaiserschnitt. Ob diese Indikation bei nicht-anfallsfreien Patientinnen gegeben ist, ist abhängig von der Häufigkeit der Anfälle.

Wenn Sie eine Schwangerschaft planen oder bereits schwanger sind, sollten Sie mit Ihren Ärztinnen oder Ärzten besprechen, ob und gegebenenfalls welche medikamentösen Anpassungen erforderlich sind, was sonst noch erforderlich ist und wie Sie sich verhalten sollten, wenn während Ihrer Schwangeschaft ein epileptischer Anfall auftritt. Gerne stehen wir für ein solches Gespräch zur Verfügung.

Säuglingspflege

Auch Kinder von Frauen mit Epilepsie sollten gestillt werden, da das Stillen gerade in den ersten Lebensmonaten für das heranwachsende Kind eine Vielzahl positiver Wirkungen hat. Unter wenigen Anfallssuppresiva treten bei Kindern von Frauen mit Epilepsie eine ausgeprägte Müdigkeit oder eine Trinkschwäche und damit einhergehend eine unzureichende Gewichtszunahme auf. In solchen seltenen Fällen sollte das Stillen zunächst reduziert und bei ausbleibender Besserung ganz beendet werden.

Im Wochenbett kann gegebenenfalls ein Schlafmangel infolge des Stillens oder infolge des unregelmäßigen Schlafes des Neugeborenen zu vermehrten Anfällen führen. Grundsätzlich sollte deshalb die Mutter des Neugeborenen bei der nächtlichen Versorgung ihres Kindes vom Partner unterstützt werden. Bei stillenden Müttern kann der Partner die nächtliche Versorgung des Kindes übernehmen, indem abends die Muttermilch abgepumpt wird.

Zur Minderung der Risiken für das Neugeborene gehören auch das Wickeln und Stillen in einer sicheren Position (zum Beispiel sollte eine nicht anfallsfreie Mutter ihr Kind auf dem Teppich wickeln und nicht auf dem Wickeltisch). Desweiteren kann ein Kinderwagen mit einer automatischen Bremse helfen, Unfälle zu vermeiden. Beim Baden des Neugeborenen sollte die nicht anfallsfreie Mutter grundsätzlich nicht alleine sein und eine Babysitzbadewanne benutzen. Diese Hinweise gelten entsprechend auch für Andere, zum Beispiel für den Vater des Kindes, wenn dieser an einer Epilepsie erkrankt und nicht anfallsfrei ist.

Für alle Fragen rund um das Thema Säuglingspflege stehen Ihnen unsere Ärztinnen und Ärzte gerne zur Verfügung. In gemeinsamen Gesprächen können wir, unter Umständen unter Hinzuziehung unserer Sozialdienste, diese besprechen und mit Ihnen gemeinsam für Sie passende Lösungen erarbeiten.

Für Mütter von Kindern, die alleine mit der Versorgung ihres Kindes überfordert sind, stehen Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung. Sollten diese notwendig sein, stehen Ihnen unsere Sozialdienste auch hier gerne beratend zur Verfügung und können Ihnen behilflich sein, die entsprechenden Anträge zu stellen.